Herrlich unperfekt!

Laurent Martineau, Karlsruher FV

Laurent Martineau leitete den Torsegen ein

Ostermontag! Endlich rollt der Ball in den Amateurligen wieder. Die Wahl auf ein Spiel fällt auch nicht schwer. Das Heimspiel des Karlsruher FV gegen den VfR Ittersbach (B-Klasse 2) steht ganz oben auf der Liste. Endlich stimmen Anwesenheit in Karlsruhe und der KFV-Spielplan terminlich mal überein. Auf nach Rüppurr zum neuen KFV-Platz. Das Wetter meint es auch gut. Nach einem heißen Ostersonntag ist es etwas windiger und die Sonne knallt nicht mehr ganz so sehr vom Himmel. Angenehmes Ambiente. Es macht Spaß, am Spielfeldrand zu sitzen und den Nachmittag zu genießen.
Das hat etwas von Entschleunigung. Ein paar Meter weiter herrscht auf der A 5 Hochbetrieb. Osterurlauber auf dem Weg in den Urlaub oder schon wieder aus dem Urlaub zurück. Wir haben das deutlich bessere Los gezogen. Keinerlei Stress, einfach nur Entspannung pur. Und soviel sei schon jetzt gesagt: Der Besuch soll sich lohnen

Die KFV-Jungs kommen in schwarzen Trikots (TW in weiß) aus der Kabine. Der Schiedsrichter schickt sie gleich zurück. Klamottenwechsel. Einige Minuten später stehen die Jungs in weißen Hemden (TW in schwarz) da. KFV-Spielführer Schlinger nimmt die Situation locker: »Wir haben ja Auswahl«, scherzt er mit dem Unparteiischen.
Dann kann es auch schon losgehen. Und wie es los geht. Gleich der zweite KFV-Angriff führte zum Führungstreffer. Flanke von links, Laurent Martineau verwandelte per Kopf zur Führung.

In der Folge beschnupperten sich die Teams. Klarer Vorteil KFV, die Gäste sind im Abschluss einfach zu zögerlich. Nach rund 20 Minuten wurden die Zuschauer Zeuge eines Tor des Monats. Die VfR-Abwehr klärte nach einem Eckball mit einem weiten Befreiungsschlag Richtung Mittellinie. Dort nahm Markus Dammert den Ball an und zog ein, zwei Meter hinter der Mittellinie ab. Der Ball landete tatsächlich im Ittersbacher Tor. Ein Tor Marke »Klaus Augenthaler reloaded«. Ohne den Ruhm des Torschützen schmälern zu wollen: Der Torwart sah dabei gar nicht gut aus, gab aber unverzüglich den Motivator: »Alles nicht so schlimm, wir haben noch viel Zeit.« Den Zuschauern, die es mit dem KFV hielten (uns auch), entlockte der Ausspruch ein leichtes Schmunzeln.

Die KFV-Spieler ignorierten des Torwarts Prognose und machten munter weiter. Nach einer halben Stunde stolperte Jens Busch unter gütiger Mithilfe der Ittersbacher Abwehr das 3:0 ins Netz. Der größte Lacher folgte dann kurz vor der Pause. Ein Ittersbacher Abwehrspieler »flankte« vors eigene Tor und KFV-Kapitän Eduard Schlinger bedankte sich mit dem 4:0. Das ging nun wirklich unter absolut haarsträubend. Keine Jugendmannschaft aus der Provinz würde sich wohl einen solchen Bock erlauben. Der Sündenbock hatte in diesem Augenblick wohl keine Freunde mehr in der Mannschaft. Kurz danach war dann Pause und alles deutete auf einen ungefährdeten Heimsieg des KFV hin.

 

KFV verspielt Fünf-Tore-Vorsprung

Nach dem Seitenwechsel ging es erstmal so weiter, wie es aufgehört hatte: Jens Busch markierte das 5:0. Das war es wohl. So manch einer wird sich in diesem Moment gefragt haben, ob es am Ende zweistellig werden würde. Plötzlich ein Bruch im KFV-Spiel. Es schien, als hätten die Teams die Trikots getauscht. Waren zunächst die Spieler in den weißen Trikots die Druckvollen, so übernahmen jetzt die Grünen die Regie. Erstes Warnzeichen: Ein verwandelter Freistoß aus 20 Meter-Distanz. Der VfR-Spielführer zog den Ball – gut geschossen – in die Torwartecke. Muss der Goalie eigentlich halten.

Markus Dammert, Karlsruher FV

Markus Dammert: »Klaus Augenthaler reloaded«

Wenige Minuten später die nächste Ittersbacher Backpfeife. Wieder ein Freistoß aus 20-Meter-Distanz. Dieses Mal landete der Ball in der Mauerecke, schön oben im Winkel. Ein Tor Marke sehenswert. Spätestens jetzt hätten beim KFV die Alarmglocken klingen müssen. Taten sie aber nicht. Kurze Zeit später staubte ein Gästestürmer zum 5:3 ab. Und wieder nur wenige Minuten später kratzte der KFV-Torhüter in höchster Not einen Schuss von der Linie. Noch einmal Glück gehabt!

Und trotzdem: Es sollte nicht mehr lange dauern, bis die KFV-Abwehr von einem langen Ball überrascht wurde. Plötzlich stand es nur noch 5:4. Nach vorne ging nichts und hinten wackelte alles. Die logische Folge: Nach einer Unordnung im KFV-Strafraum stand es plötzlich 5:5. Der KFV hatte mal eben locker einen Fünf-Torevorsprung verspielt. Nun war die VfR-Elf obenauf, wollte noch mehr. Aus Karlsruher Sicht musste man glücklich sein, wenn am Ende wenigstens ein Punkt in Karlsruhe blieb. Plötzlich kamen wieder die Worte des Ittersbacher Torstehers hoch. »Alles nicht so schlimm, wir haben noch viel Zeit.« Das Schmunzeln blieb dieses Mal allerdings aus.

Am Ende eines herrlich unperfekten Fußballspiels blieb es beim letztendlich gerechten 5:5. Die Zuschauer hatten ihr Kommen nicht bereuen müssen. Für gute Unterhaltung war an diesem Nachmittag auf jeden Fall gesorgt.  Nach dem Spiel saß ein bedienter Herbert Durand auf der Terrasse, der an diesem Tag NICHT bewirtschafteten Vereinskneipe, und kommentierte das soeben Gesehene kurz und knapp: »So ist Fußball.« Recht hat er. Wer einen Fünf-Tore-Vorsprung verspielt, hat eigentlich den Sieg auch nicht verdient. Der moralische Sieger des Nachmittags war auf jeden Fall der VfR Ittersbach.

 

 

 

 

 

 

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