Auf ein Käffchen mit E.T.

Was haben Luis Enrique, Benito Floro und Abelardo Fernandez gemeinsam? Alle drei sind Asturier und stammen aus Gijón (asturisch Xixón). Die Stadt liegt direkt am Meer und hat rund 270.000 Einwohner. Und – nun werden wir historisch – die Stadt war Schauplatz des Nichtangriffspaktes von Gijón. Bevor hier jemand sein Geschichtsbuch herausholt und nach Kriegen in dieser Region sucht, klären wir lieber auf (manch einer wird es ohnehin schon geahnt haben). Wir reden über Fußball. Genau genommen über die Weltmeisterschaft 1982. In Gijón und Oviedo trugen Österreich, Deutschland, Algerien und Chile ihre Vorrundenspiele aus. Das Schicksal wollte es, dass am letzten Spieltag der Vorrunde Deutschland auf Österreich traf. Ein 1:0-Sieg für Deutschland war das Ergebnis, das beide Teams weiterbringen würde. Und stellen wir uns vor, das Spiel endete exakt 1:0 für Deutschland. Das entscheidende Tor für Deutschland erzielte Horst Hrubesch schon in der 11. Minute. Danach lief im Estadio Municipal El Molinón zu Gijón der Streifen »Der Nichtangriffspakt von Gijón«. Ein Fußballspiel, das seinen Namen nicht verdiente. An Peinlichkeit und Unsportlichkeit nicht zu überbieten. Deutsche und Österreicher liessen die Algerier am ausgestreckten Arm verhungern. So macht man sich keine Freunde. Als Folge davon sollten zukünftig die Spiele am dritten Vorrundenspieltag zeitgleich ausgetragen werden.

El Molinón – Schauplatz der Schande von Gijón

El Molinón, GijónNun standen wir also an einem Samstagmittag vor El Molinón und sahen uns den »Tatort« von damals an. In diesem Stadion ist auch der spanische Zweitligist Real Sporting Club de Gijón zuhause. Richtig große Fußballgeschichte hatten die »Gijónes« unseres Wissen nach noch nicht geschrieben. 1905 wurde der Verein als Sporting Gijónes gegründet. 1912 erhielt der Club die königlichen Weihen und durfte sich fortan Real Sporting Gijónes nennen.
Ab und an spielte Gijón auch in der Primera Division. »Hauptfeind« der Gijónes ist der asturische Rivale FC Oviedo, mit dem sie sich immer wieder heftige Gefechte lieferten und immer noch liefern. Im Nachgang forschten wir nach bekannten Namen, die das rot-weiße Trikot der »Gijónes« getragen hatten. Und wir wurden fündig: Quini (später auch FC Barcelona), Julio Salinas, David Villa oder Antonio Maceda. Ja, genau jener blonde Spanier, dessen Last-Minute-Tor bei der EM 1984 den damaligen Bundestrainer Jupp Derwall den Job kostete.

Ein Denkmal für Manolo Preciado

Manolo Preciado, gijónDoch es sollte alles noch aufregender kommen. Auf der anderen Seite des Stadions entdeckten wir eine Statue. »Manolo Preciado« stand auf dem Metallschild. Der Name sagte uns gar nichts. Also wieder auf Recherche-Tour gehen. Was wir herausfanden, das beeindruckte uns durchaus. Manolo Preciado hieß mit vollem Namen Manuel Preciado Rebolledo. Während seiner aktiven Zeit spielte der gebürtige Kantabrier  u.a. bei Racing Santander, RCD Mallorca oder Deportivo Alaves. Trainerstationen waren ebenfalls Racing Santander, UD Levante, Real Murcia und eben Sporting Gijón.
Im Jahr 2006 übernahm Manolo Preciado Sporting Gijón und führte das Team im Jahr 2008 in die Primera Division. In den folgenden drei Jahren konnte er die Mannschaft in dieser Liga halten. In der Saison 2011/2012 lief es jedoch schlecht. Die Folge: Am 31. Januar 2012 wurde Manolo Preciado in Gijón entlassen. Im Sommer des gleichen Jahres entschied er sich, ein Engagement beim FC Villareal zu übernehmen. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Nur einen Tag nach dieser Entscheidung erlag er einem Herzinfarkt. In Gijón bauten sie ihm für seine Verdienste um den Club ein Denkmal.

Jesus Castro González – ein wahrer Held

Jesús Castro González, real Sporting Club de Gijón

Jesús Castro González – ein wahrer Held

Und es sollte immer noch besser kommen. Als wir um das Stadion herumgingen, kamen wir an das Tor 1. Dort war ein Torhüter abgebildet. Fanden wir gut. Sicher war der »Goalie« ein verdienter Spieler des Clubs, dachten wir. Ein feiner Zug des Vereins, einen ehemaligen Spieler so zu ehren. Heutzutage ja eher eine Seltenheit. Doch die Geschichte war noch eine ganz andere. Sie sollte uns richtig mitnehmen.
Der Torhüter von Puerta 1 war Jesús Castro González. Er absolvierte zwischen 1968 und 1985 417 Spiele für den Real Sporting Club de Gijón. Jesús Castro wurde nur 42 Jahre alt. Am 26. Juli 1993 rettete er zwei englische Kinder und deren Vater vor dem Ertrinken im Meer. Dabei verausgabte er sich derart, dass er im Nachgang den Strapazen seiner Rettungstat erlag. Das eigene Leben zu geben, um das anderer Menschen zu retten, das ist wahres Heldentum. Wir konnten nur noch ehrfürchtig den Hut vor ihm ziehen. Übrigens, Jesús Castro González war der jüngere Bruder von Quini.

Ein prominenter Gast

E.T. Real Sporting Club de Gijón

E.T. – Real Sporting Club de Gijón

Nachdem wir nun fleißig die ganzen Fakten gesammelt hatten, waren wir der Meinung, wir hätten eine kleine Erfrischung verdient. Und so steuerten wir unverzüglich die Sportsbar im Stadion an. Der Laden war für die Mittagszeit schon gut gefüllt. Als erstes gab es gleich einen Anschiss, weil wir uns an einen Tisch setzen wollten, der für Essensgäste gedeckt war. Also verkrümelten wir uns auf die billigen Plätze und bestellten unsere Getränke. Zwei Café Solo, zwei Café con Leche und eine große Coca.
Während wir unsere Getränke genossen, tauschten wir uns über das aus, was wir erlebt hatten. Auf den Flatscreens, die über die Sportsbar verteilt waren, lief derweil schon das Mittagsspiel der Primera Division. Der FC Girona hatte Espanyol zu Gast und sollte am Ende 1:2 verlieren. Erst beim Gehen entdeckten wir, dass wir uns die ganze Zeit in sehr prominenter Gesellschaft befunden hatten. Da sass er nun in seiner Ecke, absolut stilecht im Trikot der »Gijónes«.
Wir machten uns auf den Heimweg und konnten von diesem Moment an steif und fest behaupten, uns mit E.T. auf ein Käffchen im El Molinón getroffen zu haben.

 

 

 

 

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