Im August hatten wir ein paar Tage Zeit. Wir wollten uns etwas Gutes tun und so wählten wir unter der Vorgabe – Lage am Meer – ein Reiseziel aus. Gar nicht so einfach, da bieten sich bekanntlich viele Orte an. Wir lösten unsere »Entscheidungsproblematik«, indem wir einfach losfuhren und am Ende in Le Havre in der Normandie strandeten. In der Regel verhält es sich so: Man fährt in eine Stadt und hat ein gutes Gefühl oder eben nicht. Auf Le Havre traf glücklicherweise ersteres zu. Einige Tage später sollten wir dann in Anvers auch Version zwei erleben (wobei sich die Meinung recht schnell wandelte und wir dann doch eine tolle Zeit hatten). Ein Besuch in der 170.000-Einwohner-Stadt am Ärmelkanal lohnt sich auf jeden Fall. Wir hatten ein angenehmes Hotel im Zentrum und dadurch die Möglichkeit, die Gegend zu Fuß zu erkunden. Das machte Spaß. Tolles Wetter, vom Meer kam eine angenehme Brise. Eigentlich war alles so, wie es sein sollte.
Ein dickes »Merci« an die Fans
Während wir durch unser Viertel gingen, entdeckten wir einen Zeitungsständer. Neugierig klappten wir den Deckel hoch und nahmen uns gleich ein Exemplar mit. Im Hotel sahen wir uns die Postille dann näher an. Sie behandelte die Frauen-WM, die im Juli in Frankreich stattgefunden hatte. Die Stadt Le Havre, die die Zeitung wohl herausgegeben hatte, bedankte sich bei ihren Bürgern mit einem dicken »Merci« auf der Mittelseite. Darüber hinaus gab es noch reichlich Infos rund um diese Weltmeisterschaft.
Wie sich die Stadt im Vorfeld auf das Freudenfest vorbereitet hatte. Bilder der Freude während des Turniers und Informationen, welche Spiele in Le Havre stattgefunden hatten. Insgesamt war es eine schöne Abendlektüre. Wir erinnerten uns sofort an den Sommer 2011. Damals fand das Eröffnungsspiel der Frauen-WM 2011 im Berliner Olympiastadion statt und inspirierte gut gelaunte Massen zu einem Stadiongang. Deutschland siegte übrigens gegen Kanada und die deutsche Damenfußballwelt war in Ordnung. Zumindest bis zum späteren Ausscheiden der deutschen Mannschaft.
Zuschauerrekord im Stade Océane
Dem Magazin konnten wir entnehmen, dass insgesamt sieben Spiele im Stade Océane in Le Havre stattgefunden hatten. Darunter auch das Spiel Frankreich-Brasilien. Weltweit sahen das Spiel 58 Millionen Zuschauer. Das ist Rekord in diesem Wettbewerb. Von den ingesamt sieben Spielen waren vier ausverkauft. Keine schlechte Quote, auch wenn das Stadion nur rund 25.000 Zuschauer fasst. Aber auch die muss man erst einmal mobilisieren. Am Ende schafften es die Gastgeberinnen nicht und mussten den favorisierten Amerikanerinnen den Vortritt lassen.
Gleich gegenüber vom Stade Jules Deschaseaux
Soviel zur Frauen-WM 2019. Logischerweise inspirierte uns das Heft, auch mal selbst am Stade Océane vorbeizuschauen. Das Stadion liegt direkt an der Einfahrtsstrasse nach Le Havre. Nomen est omen – das Stadion hat eine blaue Kunststoffhülle. In der Zeit von 2010 bis 2012 wurde es erbaut und erlebte am 12. Juli 2012 beim Spiel Le Havre AC – OSC Lille seine Premiere. Das Stade Océane liegt quasi in Steinwurfweite zum alten Stade Jules Deschaseaux, welches wir auf der anderen Straßenseite entdeckten. Wie es heutzutage so üblich ist, sind gleich eine Bar und der Fan Shop in den Eingangsbereich des Stadions integriert.
Cambridge und Oxford – maßgebend für die Vereinsfarben
Hausherr im Stade Océane ist der Le Havre AC (obwohl hier im Stadion auch noch Rugby gespielt wird). Der Club – Gründungsjahr 1872 – gilt als einer der ältesten Fußballclubs Frankreichs, wobei über die ganz frühen Zeiten keine verlässlichen Daten existieren. Vereinsfarben sind hell- und dunkelblau. Da in der Anfangszeit viele Engländer hier spielten, gelten diese Vereinsfarben als eine Art Reminiszenz an die Universitäten Oxford und Cambridge.
Im Fanshop entdeckten wir übrigens ein klasse Retro-Trikot in dieser Farbgebung im Schaufenster. Eine echte Augenweide. Die Auswahl an Größen gab uns wieder einmal zu denken. Leider nur für die Dünnen! Während wir uns im Shop interessiert umsahen, war gut Betrieb im Laden. In der Hauptsache gingen Eintrittskarten für die kommenden Spiele des Le Havre AC über den Tresen. Mittlerweile hat der Le Havre AC 12 Spieltage in der Ligue 2 absolviert und rangiert aktuell auf Platz acht der Tabelle.
Bislang nur Zweitligameisterschaften
Der Le Havre AC ist aktuell in der Ligue 2 zuhause, war aber auch schon öfter in der Ligue 1 unterwegs, zuletzt in der Spielzeit 2008/2009. In der Spielzeit 1950/1951 wurde Le Havre in der ersten Liga Dritter. Neben dem Erfolg im Coupe de France, im Jahr 1959, bislang der größte Erfolg des Vereins. Ansonsten durfte der Le Havre AC noch fünf Zweitligameisterschaften feiern (1938, 1959, 1985, 1991 und 2008).
Diarra und Pogba spielten in Le Havre
Auch große Namen sind mit dem Verein verbunden: Michel Hidalgo, der ehemalige französische Nationaltrainer spielte hier. Le Havre war für Lassana Diarra, später Arsenal, Chelsea und Real Madrid, die erste Profistation. Jean-Alain Boumsong, Juventus Turin, Glasgow Rangers oder Olympique Lyon, spielte in seiner Jugend in Le Havre. Und auch Paul Pogba spielte in der Jugend des Le Havre AC, ehe er in die Jugendabteilung von Manchester United wechselte.