Eine Welt ohne Fußball? Noch vor Wochen absolut nicht vorstellbar. Dann schlug Corona zu. Von jetzt auf nachher war alles vorbei. Die Fußballwelt – der Profi- wie auch der Amateurbereich – standen von heute auf morgen still. Seit Mitte März geht nichts mehr.
Diese Corona-Krise offenbarte allerdings auch jede Menge Probleme. In einem Business, welches bislang – auf den ersten Blick zumindest – krisensicher dazustehen sein schien, machte plötzlich das Wort»Insolvenz« die Runde. Wer allerdings vorher schon mit kritischem Auge hingesehen hatte, durfte sich bestätigt fühlen: Es ist nicht alles Gold, was da in der mondänen Welt des Fußballs glänzt.
Seit geraumer Zeit haben verfolgen wir den Weg des Regionalligisten Lichtenberg 47. Hier werden die Tugenden – Geld, das man nicht hat, auch nicht auszugeben – noch gelebt. Wir haben uns mit dem Sportlichen Leiter Benjamin Plötz getroffen und ihn gefragt. Corona, was nun?
Hoffe auf mehr Aufmerksamkeit für den Amateursport nach Corona
Kabine: Corona hat den Fußball gestoppt – von der Bundesliga bis in die Kreisliga geht nichts mehr. Wie geht der SV Lichtenberg 47 damit um?
BP: Wir als Verein versuchen, so gut es geht die Zeit zu überstehen. Die Spieler arbeiten gegenwärtig individuell und der Verein hat sich im Verlaufe der Zeit stets mit allen Szenarien beschäftigt. Wir wollen auf alles vorbereitet sein und wirtschaftlichen Problemen vorbeugen. Es ist spürbar, dass allen im Club der Sport und die sozialen Kontakte fehlen.
Kabine: Gibt es im Verein schon einen positiven Corona-Fall?
BP: Mir ist kein Fall bekannt, ich hoffe, das bleibt so und alle bleiben gesund.
Kabine: Ein Blick in die Zukunft: Wird der Fußball nach Corona ein anderer sein – möglicherweise auch zum Vorteil der kleinen Amateurvereine – oder ist das nur ein kurzes Störfeuer, an das sich in ein paar Wochen niemand mehr erinnert und alles geht weiter wie bisher?
BP: Das kann ich nur schwer beurteilen. Was ich hoffe ist, dass der Amateursport nach dieser Zeit deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommt. Es ist wichtig, diesen Bereich zu stärken, denn hier wird die Basis geschaffen für all das, was im Profifußball dann umgesetzt werden kann.
Kabine: Blicken wir noch einmal in die Zukunft. Irgendwann wird es wieder Fußball und Sport geben. Derzeit wird nicht trainiert. Was kommt auf Spieler und Trainer zu? Wochenlang kein Training, plötzlich ein Kaltstart zurück in den Ligaalltag. Ist das überhaupt möglich, wie sehen Sie diese Sache?
BP: Ob es einen Ligaalltag für die noch laufenden Saison geben wird ist gegenwärtig ungewiss. Wir erwarten seitens des NOFV in den kommenden Tagen eine klare Aussage, wie mit den neusten Erkenntnissen umzugehen ist. Sicher ist, dass es für alle schwer sein wird, wieder in einen gewohnten Alltag zurück zu kehren. Das Zeit braucht auf jeden Fall viel Zeit.
Kabine: Wie stehen Mannschaft und Trainerteam zu der jetzigen Situation?
BP: Erstmal geht es allen gesundheitlich gut, das ist das Wichtigste. Man merkt, dass die Gruppe den Sport vermisst, die gemeinsame Zeit, die Atmosphäre in der Kabine. Wir haben einen stetigen Austausch und haben den Eindruck, dass alle Spieler diese Situation so gut es geht meistern. Die individuellen Trainingspläne jede Woche helfen den Spielern dabei, fit zu bleiben. Es gibt das Gefühl »Training« zu haben und nach wie vor diszipliniert zu bleiben.
Unrealistisch, so viele Spiele in kurzer Zeit nachzuholen
Kabine: Wie sollte – Ihrer Meinung nach – mit der unterbrochenen Saison umgegangen werden? Abbrechen, annullieren, weiterspielen bis irgendwann alle Partien gespielt sind?
BP: Meiner Meinung nach sollte die Saison abgebrochen werden. Es ist unrealistisch, so viele Spiele in einer kurzen Zeit nachzuholen. Gegenwärtig müsste geprüft werden, ob Spielrechte über den 30.06. hinaus verlängert werden können. Wie gehen die Spieler und Vereine damit um, dass in der Sommerpause viele nicht zur Verfügung stehen, da Sie schulpflichtige Kinder haben und zu diesem Zeitpunkt Ferien sind.
Es muss eine Lösung her und zwar bald. Die Entscheidung, wie mit Auf- und Abstieg umgegangen wird, wird wohl die spannendste Thematik. Ich denke, man sollte den oberen Teams die Möglichkeit geben, den Meister auszuspielen. Ich spreche mich aber auch klar dafür aus, dass es keinen Absteiger geben darf, da noch zu viele Nachholspiele im Raum stehen
Kabine: Wie schätzen Sie die Situation im Profifußball ein? Die Fußball-Millionäre sind gefordert. Christian Seifert, DFL-Geschäftsführer, sprach dieser Tage gar davon, dass der eine oder andere Proficlub diese Situation u.U. nicht überstehen könnte. Das wirft plötzlich ein ganz anderes Bild auf das vermeintlich krisensichere Millionengeschäft.
BP: Der Profifußball wird eine sehr deutliche Veränderung erleben. Für mich ist es erschreckend, dass viele Vereine nach so kurzer Zeit in die Situation rutschen, über Insolvenz zu sprechen oder, dass sie sich gar aus den entsprechenden Ligen zurück ziehen müssen. Es muss überdacht werden, wie sich der Profifußball künftig aufstellt. Die Vereine kreisen in einem System, in dem Geld die Hauptrolle spielt. Die Auswirkungen von Corona bringen vieles an den Tag. Es gibt Vereine, die seit Jahren Misswirtschaft betreiben, über Ihre Verhältnissen leben. Da fließen Spielergehälter, die nicht zum Budget passen. Man sollte sich auch durchaus über Gehaltsobergrenzen Gedanken machen. Darüber hinaus sollten die Verantwortlichen darüber nachdenken, die Kluft zwischen Amateur- und Profifußball deutlich verringert werden kann. Wie wir es schaffen, dass Fans wieder erschwinglichere Eintrittskarten erhalten und, wie das Medienkarussell um den Profifußball zurückgefahren werden kann. Und somit auch die Belastung auf jeden in diesem Geschäft.
»Der SV Lichtenberg 47 hat es verdient, weiterhin Teil der Regionalliga zu sein«
Kabine: Kommen wir zum Sportlichen. Das Jahr 2020 war für Lichtenberg 47 bislang nicht sehr erfolgreich. Beleuchtet man die augenblickliche Situation kritisch, könnte der Betrachter zu der Einschätzung kommen, dass sich Lichtenberg 47 auf einem gefährlichen Trip befindet. Scheinbar ausreichend Punkte auf dem Konto, eine Sieglos-Serie 2020 und die Kollegen aus dem Keller holen Punkt um Punkt auf. Sowas kann schnell schiefgehen und irgendwann ist die Mannschaft in einem Strudel, der kräftig nach unten zieht. Wie ordnen Sie die momentane sportliche Lage ein?
BP: Wir haben tatsächlich in 2020 noch keinen Dreier geholt. Es ist auch so, dass Mannschaften aus dem unteren Drittel gepunktet haben und sich somit der Abstand immer mehr verkürzt hat.
Wir hätten in den kommenden Spielen zusehen müssen, wieder Siege einzufahren um den Abstand zu den brenzligen Tabellenregionen wieder zu vergrößern. Die Mannschaft hat gute Spiele angeboten, allerdings fehlte der Sieg am Ende. Wir haben es aber bis jetzt sehr ordentlich gemacht und ich bin stolz auf die bisher erreichten Punkte und den damit verbundenen Tabellenplatz. Trotzdem müssen wir im Hinterkopf haben, dass dies nicht reichen wird.
Kabine: Wie ordnen Sie Spiele, wie das in Nordhausen, ein? Da führt 47 gegen eine Mannschaft, die von der Insolvenz schwer gebeutelt ist zur Pause 3:0 und muss am Ende froh sein, noch mit einem 4:4, (nach zwischenzeitlichem Rückstand) davon zu kommen.
Ist das Lässigkeit oder einfach nur mangelnde Abgeklärtheit und Erfahrung? Wie wollen Sie das abstellen?
BP: Wir sind das erste Mal in der Regionalliga dabei. Alles, was wir erleben, erleben wir demnach auch zum ersten Mal. Wir müssen daraus in erster Linie lernen. Es muss uns klar sein, dass jeder in dieser Liga in der Lage ist, uns zu bezwingen. Gleiches gilt aber auch für uns. Wenn wir unsere Stärken ausspielen und die Erfahrungen aller Spiele nehmen, hat es auch jede Mannschaft in dieser Liga schwer gegen uns. Das Spiel gegen Nordhausen war in Summe eine Lehrstunde für unser junges Team. Wir müssen das Spiel gewinnen, das steht außer Frage. Allerdings hat Wacker Nordhausen an diesem Tag eine unglaubliche Moral gezeigt. Der Punkt für die Thüringer war am Ende mehr als verdient. Wir haben nicht gut verteidigt und haben in den entscheidenden Minuten zu viele Räume angeboten. Lehren draus ziehen und abhaken.
Kabine: Sehen Sie den SV Lichtenberg 47 am Ende dieser Saison – egal, wie das Ende der Spielzeit auch aussehen mag – weiter in der Regionalliga? Und warum?
BP: Wir bleiben in der Liga. Wir können spielerisch mithalten und das haben wir in vielen Partien sehr eindrucksvoll gezeigt. Das Umfeld, die Spieler, das Trainerteam – alle geben Vollgas und haben Tag für Tag hart dafür gearbeitet, dass wir diesen Moment als Verein erleben dürfen und ihn auch weiterhin erleben werden. Wir haben uns als Gruppe gut entwickelt und sind auch innerhalb der Liga angekommen. Der SV Lichtenberg 47 hat es verdient, auch weiterhin ein Teil der Regionalliga zu sein.
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