Benjamin Plötz (Li 47): Unsere Aufgabe ist, auch im nächsten Jahr der Regionalliga Nordost anzugehören

Benjamin Plötz – Vom Rasen auf die Bank

Benjamin Plötz (Lichtenberg 47) im Gespräch mit der Sprecherkabine

HOWOGE-Arena »Hans Zoschke« im Mai 2019: Der SV Lichtenberg 47 macht mit einem Heimsieg gegen den Mitkonkurrenten Tennis Borussia Berlin den vielumjubelten Aufstieg in die Regionalliga Nordost klar. Ohne Zweifel, eine gigantische Leistung der Lichtenberger.
Der Grundstein für diesen Aufstieg wurde allerdings schon Jahre zuvor in der Berlin-Liga gelegt. Benjamin Plötz, der aufgrund einer schweren Verletzung seine Karriere beenden musste, übernahm das Amt des Sportlichen Leiters. Ihm folgte kurze Zeit später sein ehemaliger 47-Mitspieler Uwe Lehmann als Trainer. Die beiden bildeten ein kongeniales Team und von nun an ging es im »Zoschke« bergauf. Trainer und Sportliche Leitung ließen sich auch durch Rückschläge, wie die absolut unnötige Niederlage im Finale des Berliner Landespokals 2016, nicht aus der Fassung bringen und verfolgten weiter konsequent ihre Linie. Am Ende wurde die Ausdauer belohnt und das Team feierte den Aufstieg in die Regionalliga.
Der Erfolg war gleichzeitig ein Neuanfang, der den Club vor große Herausforderungen stellte und die dieser bislang auch erfolgreich meistern konnte. Inzwischen spielt der SV Lichtenberg 47 die vierte Saison in der Regionalliga. Vor Beginn der Saison verließ Trainer Uwe Lehmann auf eigenen Wunsch den Verein und löste mit seinem Weggang das kongeniale Team Plötz/Lehmann auf. Knapp die Hälfte der neuen Saison ist nun gespielt. Ein guter Zeitpunkt, um beim Sportlichen Leiter Benjamin Plötz nachzufragen, wie aktuell die Dinge bei Lichtenberg 47 stehen.

 

Kabine: Hallo Herr Plötz, nachdem das Team Lehmann/Plötz nun Geschichte ist, lautet die drängendste Frage: Sind Sie zufrieden mit dem neuen Trainer Murat Tik?

BP: Ich bin sehr zufrieden mit Murat Tik. Er hat seit Tag eins die Aufgabe mit höchster Akribie angenommen und hat sich schnell an das Umfeld, an die Mannschaft und die Anforderungen sowie die Spielweise der Regionalliga Nordost gewöhnt. Die erzielten 13 Punkte sprechen da für ihn. Auch die Zusammenarbeit im Trainer- und Funktionsteam zeichnet sich durch ein ehrliches und konstruktives Miteinander aus. Ich bin nach diesem großen Umbruch im Sommer sehr zufrieden bis hierher.

Kabine: Was hat sich unter Murat Tik geändert?

BP: Murat Tik hat zum einen – gemeinsam mit der Mannschaft – ein neues Spielkonzept erarbeitet und das brauchte seine Zeit, bis es sich mittlerweile etabliert hat und die Ergebnisse das auch widerspiegeln. Uwe Lehmann hatte über Jahre viele Abläufe und Strukturen etabliert und Murat hat vieles davon vor allem deshalb nicht verändert, weil es funktioniert hat und es aus seiner Sicht keinen Handlungsbedarf gab, bestehende Strukturen aufzubrechen.

Unsere Aufgabe ist, auch im nächsten Jahr der Regionalliga Nordost anzugehören

Kabine: Sie spielen jetzt im vierten Jahr in der RL, drei Spielzeiten davon waren sogenannte Pandemie-Jahre. Wie bewerten Sie diese Jahre?

BP: Wie schon angesprochen haben wir in diesem Sommer einen großen Umbruch durchlebt. In dieser Spielzeit ist die Regionalliga aufgrund der Reduzierung der Mannschaften auf 18 Teams qualitativ stärker als im Vorjahr und die Anzahl derer, die semiprofessionell arbeiten hat, sich drastisch verändert. Wir stehen vor der gleichen Aufgabe wie die Jahre zuvor, den Klassenerhalt zu erzielen und auch in der nächsten Saison der Regionalliga Nordost anzugehören.

Kabine: Lassen sich diese Spielzeiten überhaupt objektiv bewerten?

BP: Ich denke schon. Vor allem die letzte Saison, in der wir 38 Regionalligapartien gespielt haben und daraus 44 Punkte erzielen konnten. Eine absolute Sensation, wie ich es mit etwas Abstand einordne, wenn man bedenkt welche Leistungsausfälle wir in dieser Saison verkraften mussten und vor allem durch welche Phasen die Mannschaft gegangen ist. Die ersten beiden Regionalligajahre waren, wie Sie bereits erwähnt haben, von der Pandemie gezeichnet. Aber auch hier konnten wir unsere Qualität unter Beweis stellen und haben in den Spielen auf uns aufmerksam gemacht.

Kabine: Sind wir ehrlich, diese RL ist eine Zweiklassengesellschaft. Da gibt es die ehemaligen DDR-Oberliga-Ostclubs, die quasi unter Profibedingungen arbeiten und eben die Vereine, die nicht so wirtschaftsstark sind. Auf der einen Seite ist es ja motivierend gegen solche Clubs zu punkten (NullNull in Jena oder Sieg gegen Lok), andererseits aber frustrierend, da ja nicht mit der gleichen Elle gemessen werden kann. Wie gehen Sie mit dieser Lage um?

BP: Da dieser Zustand bereits seit langer Zeit existiert, empfinde ich es nicht als Frustration, sondern viel mehr als Aufgabe, sich auch in dieser Spielzeit zu behaupten und das vermeintlich Unmögliche möglich zu machen. Die Rahmenbedingungen strukturell, finanziell oder auch organisatorisch sind gesetzt, also beschäftige ich mich auch nur damit und verschwende keine Zeit damit über mögliche andere Szenarien nachzudenken.

Wir haben noch nie über unsere Verhältnisse gelebt

Kabine: Sie sind ja Ihrer Linie treu geblieben und haben immer nur das Geld ausgegeben, das Sie hatten? In den letzten vier Jahren hat sich der Kader gewandelt …

BP: Das stimmt. Wir haben noch nie über unsere Verhältnissen gelebt und es Jahr für Jahr geschafft, unseren Etat, unsere Strukturen auf allen Ebenen Stück für Stück weiterzuentwickeln. Alles andere ist, wie bereits erwähnt, auch keine Option. Gerade mit unseren Strukturen können wir es uns nicht erlauben, von der Realität abzurücken und müssen demnach Jahr für Jahr eine gute Planung vorweisen, um den Anforderungen der Regionalliga Nordost gerecht zu werden.

Kabine: Wo haben Sie immer die Spieler geholt bzw., was hat Ihnen den Glauben gegeben, dass diese Spieler im der höheren Klasse bestehen könnten?

BP: Die Spieler, die in den letzten Jahren zum Verein gestoßen sind, kamen aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Zum einen konnten wir Spieler aus den Juniorenbereichen gewinnen, Spieler aus der Berlin-, Ober-, oder aber auch Regionalliga. Vielmehr geht es mir Jahr für Jahr darum zu wissen, was wir als Gruppe brauchen und welche Persönlichkeiten zum Kern der Mannschaft passen. Dieses Jahr haben wir vorrangig junge Spieler zum Verein geholt und somit eine Veränderung der Alterstruktur vollzogen, aber auch die Breite des Kaders weiterentwickelt.

Christian Gawe SV Lichtenberg 47

Christian Gawe: Seit Jahren ein wichtiger Bestandteil des Teams

Bobby Reiniger, SV Lichtenberg 47

Sebastian Reiniger, Ankerpunkt in der 47er-Defensive

Kabine: Thema Altersstruktur: Diverse Spieler, die schon lange für 47 spielen und Stützen der Mannschaft sind, kommen so langsam in die Jahre (Reiniger, Hollwitz, Gawe). Wie gehen Sie dieses Problem an?

BP: Aktuell machen die Spieler, die viele Jahre schon dem Club angehören, ihren Job wirklich großartig. Wir haben auf allen Positionen junge und ältere Spieler, demnach können wir gegenwärtig auf jede Situation reagieren. Bei den angesprochenen Spielern hoffe ich, dass Sie noch einige Zeit für 47 auflaufen können und auch werden. Durch Ihr professionelles Verhalten tun Sie auch alles dafür.

Kabine: Das soll ja nicht heißen, dass diese Spieler gar nicht mehr spielen könnten, aber vielleicht nicht mehr dauerhaft durchgängig über 90 Minuten

BP: Das kommt gerade in englischen Wochen durchaus vor, aber genau darauf können wir inzwischen reagieren und alle Spieler im Kader sind in dieser Spielzeit schon zum Einsatz gekommen. Das zeigt, dass jeder wichtig ist, gebraucht wird und absolut zu recht bei uns ist.

Kabine: RL-Fußball ist ja auf diversen Portalen (Onefootball und Co.) zu sehen. Profitieren auch die kleineren Vereine finanziell davon?

BP: Es ist bekannt, dass die Regionalliga Nordost mit Ostsport TV einen langjährigen Kooperationsvertrag geschlossen hat, wovon auch die Vereine profitieren und das nicht nur in der Außendarstellung jedes einzelnen Clubs, sondern vor allem auch durch die Präsenz, welche die Regionalliga Nordost deutschlandweit erzielt. Finanziell gibt es diesbezüglich auch klare Rahmenbedingungen, die uns als kleinere Verein der Liga helfen.

Wir verzeichnen einen klaren Aufwärtstrend

Kabine: Hat sich der Aufstieg im Bezirk Lichtenberg in Bezug auf Anerkennung, sprich Zuschauer, Sponsoren, etc. bemerkbar gemacht?

BP: Wir haben in jedem Fall einen klaren Aufwärtstrend verzeichnen können, sowohl in der Entwicklung der Zuschauer sowie auch der Sponsoren. Der Bezirk Lichtenberg unterstützt uns tatkräftig bei der Umsetzung weiterer Anforderungen.

Kabine: Gilt 47 nun endgültig als gute Adresse in Berlin mit Zulauf, weil man- besonders im Jugendbereich –  für 47 spielen will?

BP: Das hoffe ich sehr. Wir haben einen deutlichen Zuwachs bei den Mitgliedern zu verzeichnen. Gerade im Funino Bereich wächst die Anzahl der kleinsten 47er. Unsere Frauenabteilung hat sich stabilisiert und konnte auch hier wieder neue Mannschaften stellen. Des Weiteren haben wir auch die A- und B-Jugend in Berlins höchster Spielklasse etabliert. Alle in der Abteilung Fussball machen einen tollen Job und sorgen dafür, dass unser Club weiter wächst!

Kabine: Wie sieht es mit ihrer Planung für die 47-Jugend aus? Wird es irgendwann ein Nachwuchsleistungszentrum bei 47 respektive, wie bewerten Sie Ihre Jahrgangsstufen A-und B-Junioren?

BP: Aufgrund der infrastrukturellen Hürden, die wir haben ist das Zukunftsmusik. Gegenwärtig verfügen wir nicht über die notwendigen Sportplätze und Funktionsgebäude, um diesen Schritt zu gehen. Vor allem deswegen ist die Arbeit, die im Jugend- und aber auch Frauenbereich gemacht wird, so hoch einzuschätzen. Gegenwärtig haben wir 28 Mannschaften im Spielbetrieb und das unter der Voraussetzung von zwei Standorten und demnach zwei Sportplätzen. Großartige Arbeit aller Übungsleiter!

Lichtenberg 47

Lichtenberg 47 – eine gute Adresse

Kabine: Sind Sie mit der aktuellen Zuschauerentwicklung zufrieden oder könnte da noch mehr gehen?

BP: Sicherlich wünscht man sich im Leben immer von allem mehr aber auch hier bin ich realistisch. Wir haben es geschafft, dem Kiez unser Wohnzimmer näher zu bringen. Unsere Zuschauerzahlen haben sich stabilisiert und in diesem Jahr ist es uns bislang gelungen, den Schnitt des Vorjahres weiter auszubauen.
Die Begeisterung ist groß für das, was die Mannschaft leistet, wobei jedem 47er bewusst ist, unter welchen Voraussetzungen dies geschieht. Demnach bin ich damit zufrieden und glaube ganz fest daran, dass auch in Zukunft weiter Fußballinteressierte den Weg ins Zoschke finden.

Kabine: Wie hat sich die Pandemie auf Ihre Sponsoren ausgewirkt?

BP: Es gab im Bereich des Sponsorings einen Aufwärtstrend. Aber für die beiden Coronajahre gesprochen, da hatten wir auch Partner und Sponsoren, die aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung Ihres Unternehmens ihr Engagement bei uns einstellen mussten.

Kabine: Wie wirkt sich die jetzige Situation aus?

BP: Durch die in allen Bereichen gestiegenen Kosten spüren wir schon deutlich, dass alles was wir in Zukunft an Investitionen vor haben, gut durchdacht sein muss. Die Kosten sind teilweise nun deutlich höher ausgefallen als wir erwartet haben, dem gegenüber steht der unermüdliche Einsatz aller 47er, dies gemeinsam aufzufangen und auch dieses Jahr werden wir es schaffen, das Jahr 2022 ordentlich zu beenden.

Kabine: Es ist auszunehmen, dass demnächst bei mehr als einer Firma die Lichter ausgehen werden bzw., dass sich so mancher Geldgeber überlegen muss, ob er noch Vereine unterstützen kann. Wie nehmen Sie diese Situation wahr?

BP: Das wird ein Ergebnis aus der Pandemie-Zeit sein und aber auch der aktuellen Inflation. Die Investitionen von Sponsoren wie in den vergangenen Jahren wird es aus meiner Sicht nicht mehr in diesem Umfang geben. Alle Unternehmen stehen vor Einsparzielen aufgrund der aktuellen Energiekrise. Demnach sind wir umso dankbarer, dass wir zahlreiche Partner haben, die auch für das nächste Jahr ihr Engagement verlängern. Dies ist gerade in der aktuellen Phase nicht selbstverständlich und wir können dies einordnen!

 

Foto credits: Alle Fotos © edition Alaska; info@edition-alaska.com, www.edition-alaska.com