Der Terminkalender meinte es gut. Wieder eine Möglichkeit, bei einem Punktspiel des Karlsruher FV vorbei zu schauen. Die Krönung: Vor dem Spiel sollte es auch noch ein Treffen mit drei KFV-Legenden geben: Herbert Durand, Karlheinz Kwolek und Thomas Gubitz waren zum Gespräch gekommen. Wir waren gespannt …
Kabine: Vielen Dank, dass Sie gekommen sind …
KHK: Wieso haben Sie gerade uns ausgewählt?
Kabine: (zu KHK) Sie haben dauernd Tore erzielt und waren im September 1979 Torschütze des Monats (im Trikot des 1. FC Pforzheim im DFB-Pokal gegen 1860 im Grünwalder Stadion), (zu TG) Sie haben sie verhindert und (zu HD) Sie waren das Eigengewächs im Mittelfeld und sind jetzt Fußballvorstand beim KFV, eine gute Auswahl, wie wir finden.
HD: (lacht) Wasserträger, der Spielmacher war ja eher »Jimmy« Zopf … (lacht wieder) Wasserträger war ich, aber das habe ich gerne gespielt, auch die benötigt eine Mannschaft …
Kabine: Sie alle stehen sinnbildlich für die letzte große Zeit des KFV. Wie stehen Sie heute dazu, wenn Sie die Geschehnisse Revue passieren lassen?
TG: Mir blutet das Herz, wenn ich am alten Stadion vorbeifahre …
KHK und HD: Uns ebenfalls. Das ist echt traurig.
Kabine: Das Stadion an der Telegrafenkaserne war das Stadion, in dem die deutsche Nationalmannschaft ihren ersten Sieg errungen hat. darf man ein solches Stadion einfach abreißen? Im Grund ist das doch ein Kulturgut, oder?
HD: Sie wissen ja selbst, wie das gelaufen ist. Da ging es nur um Geld. Der KFV war der Spielball von Investoren und der Stadt Karlsruhe.
KHK: Eigentlich darf man das Stadion nicht abreißen. Der KFV war ja als Verein nie abgemeldet worden. Mit gutem Willen hätte man das Altersheim auch woanders hinstellen können.
HD: Nach dem Deal stand der KFV zwar ohne Schulden da, musste aber ganz unten wieder anfangen.
Kabine: Kommen wir zuerst nochmal zur glorreichen Vergangenheit der 70er. Wie ist das alles entstanden?
TG: Ich war zwei Jahre in der KFV-Jugend und bin dann in die Erste gekommen, Herbert war ebenfalls in der KFV-Jugend und Karlheinz kam im Februar 1971 aus Mutschelbach zu uns. Wir waren ein Team, das in den Jahren zu einer Einheit zusammengewachsen ist. Wir hatten in Werner Titze damals einen Top-Trainer. Er hat wirklich alles gemacht. Uns trainiert, alles organisiert und wenn es sein musste, hat er auch Bälle aufgepumpt oder den Rasen gemäht. Er war ein wirklich bemerkenswerter Mensch. Es gab Leute, die gesagt haben, wenn Werner Titze aufhört, geht der Verein baden. Und so ist es dann ja leider auch gekommen.
KHK: Wir waren ja alle Straßenfußballer. In Mutschelbach konnte man damals noch auf der Straße spielen, da war kaum Verkehr. Der KFV wollte mich eigentlich schon früher haben, aber damals war es als Jugendlicher nicht so ohne weiteres möglich von Mutschelbach nach Karlsruhe zu kommen. Und so habe ich erstmal in Mutschelbach weitergespielt. Mit 17 Jahren habe ich dort bereits in der Ersten gespielt. Im Februar 1971 hat es dann mit dem Wechsel endlich geklappt.
Kabine: Zu Ihrer Zeit spielte der ATSV Mutschelbach in den Niederungen der B-Klasse. Heute spielen sie in der Verbandsliga Baden eine gute Rolle. In die Infrastruktur haben sie auch investiert. Sind Sie dem ATSV noch verbunden und ist das, was dort passiert auch nachhaltig?
KHK: Ich agiere nur im Hintergrund. Ob das, was in Mutschelbach passiert, nachhaltig ist, das wird man sehen.
Kabine: Trifft sich eigentlich das damalige Team auch jetzt noch?
HD: Ja, wir treffen uns in unregelmäßigen Abständen zweimal im Jahr.
TG: Im Gegensatz zu heute waren wir damals ein regionales Team. Die Spieler kamen alle aus der Gegend hier. Das hat verbunden. Wir waren auch zusammen in den USA und haben dort gespielt. Da ist dann etwas zusammengewachsen. Nach den Spielen sind wir ins Clubhaus gegangen und haben alle ein Bier getrunken. Danach sind wir in ein Restaurant nach Mühlburg gefahren. Mit unseren Frauen. Da gab es dann zwei Tische. Einen für die Frauen und einen für die Spieler. Da haben wir dann auch Lieder gesungen.
Kabine: Nach dem damaligen Ligensystem waren Sie Drittligist. Nach dem heutigen Ligensystem entspräche die ehemalige 1. Amateurliga Nordbaden heute der Verbandsliga Baden, was nun sechste Liga ist. Wie würden Sie die Ligen im Vergleich einschätzen.
HD: Der Fußball hat sich in all den Jahren weiterentwickelt. Ein seriöser Vergleich ist eigentlich nicht möglich.
KHK: Meine Torquote hatte sich herumgesprochen. Ich wurde im September 1974 zum Probetraining zum 1. FC Kaiserslautern eingeladen, sollte dort Klaus Toppmöller ersetzen. Leider habe ich mich vorher schwer verletzt und so wurde es nichts mit dem Wechsel.
Kabine: Sie hatten das Pech, das just in Ihrem Meisterjahr die 2. Liga eingeführt wurde und es keine Aufsteiger gab. Hand aufs Herz, hätte der KFV den Aufstieg in die Zweitklassigkeit bewältigen können?
TG: Wie schon gesagt, wir waren ein Team, das zusammengewachsen war. Ich denke, wir hätten es schaffen können.
HD: Wahrscheinlich hätte uns ein Aufstieg auch im Sponsoring neue Türen geöffnet und so weitere Möglichkeiten eröffnet.
KHK: 1973 mussten wir bei den Spielen um die Deutsche Amateurmeisterschaft gegen die Spvgg Bad Homburg antreten. Die waren damals mit Ex-Profis gespickt. Torwart Loweg hatte bei Werder in der Bundesliga gespielt. Roland Weida war mit Offenbach DFB-Pokalsieger geworden und ebenfalls ein erfahrener Bundesligaspieler. Und dann gab es noch Wolfgang Solz, der bei Eintracht Frankfurt sogar zum Nationalspieler gereift war. Dieses Team kam von oben, wir kamen von unten. Wir haben uns gut geschlagen, sind aber dennoch ausgeschieden. Ich denke, wir hätten was bewegen können.
Kabine: Zwei Jahre später war alles vorbei und der KFV in die 2. Amateurliga abgestiegen. Wie konnte so etwas passieren?
KHK: Wir hatten viele Verletzte …
TG: … und wurden vermutlich auch falsch trainiert. Es gab da mehrere Gründe. Am Ende fiel einfach alles auseinander. Das war echt schlimm.
KHK: Ich ging dann zunächst zum VfR Pforzheim, später zum FCP. Dort habe ich dann Thomas wieder getroffen …
Kabine: … dann müssen Sie ja mit der Fusion zum 1. CFR gleich nochmal leiden … Aber zurück zum KFV. Der negative Höhepunkt: Anfang dieses Jahrtausends stand der KFV ohne Heimat da. Das bittere Ende eines großen Absturzes. Eigentlich ist eine Heimat das wichtigste für einen Verein, um erfolgreich arbeiten zu können. Ohne eine solche feste Basis ist es eigentlich fast unmöglich, erfolgreiche Vereinsarbeit zu leisten.
TG: Der KFV und Espanol haben im Kreis Karlsruhe keine eigene Anlage …
HD: … Croatia auch nicht …
TG: … ja, stimmt … Die Anlage in Rüppurr ist problematisch. Der Hauptplatz geht. Der Trainingsplatz ist unter aller Kanone …
HD: Ja, da sind sie mit Fahrrädern und Autos herumgefahren
KHK: Die Heimat des Karlsruher FV war immer die Nordweststadt. Darüber hinaus war er nie ein Stadtteilclub, der seine Mitglieder aus eben diesem Stadtteil angezogen hat. Beim KFV wurde immer schon leistungsbezogen Fußball gespielt. Insofern kamen die Spieler aus einem größeren Umfeld als aus dem direkten Stadtteil.
Kabine: Gibt es keine Möglichkeit, wieder in die angestammte Gegend zu zurückzukehren?
HD: Das Band mit dem FC West ist zerrissen. Da führt kein Weg daran vorbei.
Kabine: Das haben wir am eigenen Leibe erfahren als wir im letzten Jahr dort Fotos von der guten alten »Telegrafenkaserne« und den Resten der Mauer im alten Stadion gemacht haben. Da kam gleich einer vom FC West gesprungen und feindete uns an, weil er vermutete, wir wären quasi Vorboten künftigen KFV-Unheils, das über den FC West kommen könnte. Eigentlich unglaublich. Da haben wir echt gestaunt.
HD: Das ist ein echt schwieriges Thema. Das Beste wäre wohl, den KFV wieder in diese Gegend zu bekommen. Wir müssen unbedingt eine vernünftige Vereinsstruktur aufbauen, sonst kommen wir nicht weiter …
Kabine: … eine Jugendabteilung …
HD: Ja, da beißt sich die Katze in den viel zitierten Schwanz. Keine Heimat, keine Struktur, keine Jugendabteilung. Kennen Sie die Geschichte, die hinter unserer ersten Mannschaft steht? Irgendwann kamen rund 30 Freizeitfußballer und wollten unter der Ägide des KFV eine zweite Mannschaft bilden. Da habe ich gesagt, warum wollt ihr nicht gleich als Erste spielen. Wenn man in der C- oder B-Klasse spielt, ist es schwierig, ambitionierte Spieler zu bekommen.
TG: Im letzten Jahr ist der KFV in die B-Klasse aufgestiegen. Ein erster Schritt vorwärts. Weitere müssen nun folgen. An dieser Stelle möchte ich unbedingt eine Lanze für Herbert und sein Engagement beim KFV brechen. Ohne ihn wäre in den letzten Jahren vieles nicht möglich gewesen …
HD: (lacht) … hör auf …
TG: Doch, doch, das ist so, das muss hier auch einmal gesagt werden.
HD: Das ist alles nicht so einfach. Von der Aufstiegsmannschaft sind aus unterschiedlichen Gründen fünf starke Spieler nicht mehr dabei. Dies aufzufangen ist nicht so einfach. Für dieses Jahr haben wir den Klassenerhalt in der B-Klasse geschafft. Das ist gut, vor allen Dingen weil unsere Rahmenbedingungen schwierig sind.
Wir müssen den KFV wieder im Bewusstsein der Menschen etablieren. Der KFV geht immer als Club von Julius Hirsch und Gottfried Fuchs. Das ist von der Sache ok, mir aber deutlich zu wenig. Wir hatten beispielsweise auch einen Max Breunig, ebenfalls Nationalspieler und Modellathlet. Von ihm redet heute aber leider keiner mehr.
Ich würde auch gerne ein Bensemann-Turnier etablieren und so wieder einen Meilenstein für den Verein setzen. Das ist im Augenblick aber sehr schwer bzw. gar nicht möglich.
Kabine: Aber, wenn Sie auf die letzten zehn Jahre zurückblicken, dann hat der KFV doch auch schon den einen oder anderen Schritt nach vorne gemacht.
HD: Das stimmt schon. Wir haben ein Frauenteam installiert, das vom EX-KSC-Profi Wilfried Trenkel trainiert wird und die Erste ist endlich aus der C-Klasse raus. Ein kleiner Schritt auf einem großen Weg, den wir noch vor uns haben. Der KFV ist, so glaube ich, der einzige Verein, der für Spieler nichts ausgibt. Die Spieler, die bei uns spielen sind alles reine Amateure.
Kabine: … das ist ja auch richtig so. Was soll das, Geld in den unteren Klassen zu bezahlen. Das kann nicht gesund sein.
HD: Noch etwas zum Thema Finanzen. Wir hatten am letzten Donnerstag den ersten KFV-Businessabend.
TG und KHK: (unisono) Und wie ist es gelaufen?
HD: Meines Erachtens sehr gut, interessant und ausbaufähig.
Kabine: Da drücken wir Ihnen die Daumen, dass es für den KFV gut weitergeht. Wir werden am Thema »KFV« auf jeden Fall dranbleiben. Für heute bedanken wir uns für die Zeit, die Sie sich für uns genommen haben.
Thomas Gubitz musste dann gehen. Der um den Abstieg ringende SC Wettersbach wartete auf ihn. In der Dreierrunde folgte noch eine interessante kleine Diskussion über Geldströme im Fußball. Karlheinz Kwolek soll hier das Schlusswort gehören:
KHK: Im weiteren Verlauf meiner Karriere, ich spielte beim 1. FC Pforzheim, sollte ich von einem der damaligen Spielerberater ein Angebot erhalten. Er wollte mir einen Vier- bis Fünfjahresvertrag bei einem internationalen Top-Club besorgen. Ich habe den Vertragsentwurf gelesen. Der letzte Satz hatte es in sich. Danach war mir klar, dass ich das nie tun würde. Da stand, der Spielerberater würde 35 % von allen meinen Einnahmen erhalten. Damit war das Thema durch.
Foto Credits: Das alte SW-Stadionfoto sowie das Mannschaftsfoto aus dem Jahr 1974 wurden uns dankenswerterweise vom Karlsruher FV zur Verfügung gestellt
Alle anderen Fotos: Copyright edition Alaska; info@edition-alaska.com