Das letzte Highlight

Wir schreiben das Jahr 1974. Deutschland ist im Fußballfieber. Die WM im eigenen Lande steht ins Haus. Sie wird mit dem Titelgewinn für das deutsche Team enden. Bayern München schreibt 1974 ebenfalls Fußball-Geschichte. Die Münchener erspielen sich als erstes Team drei Bundesliga-Meisterschaften in Folge. Im Europapokal der Landesmeister (jetzt Champions-League) gelingt ihnen der erste deutsche Triumph überhaupt. Und der 1. FC Magdeburg (damals noch DDR) holt gegen die alternde Milan-Truppe um Karl-Heinz Schnellinger in Rotterdam den Cup der Pokalsieger (1999 in den UEFA-Cup, jetzt Europa League, aufgegangen).

Karlsruher FV, nordbadischer Amateurmeister 1974, das letzte Highlight

So sehen Sieger aus – der KFV, nordbadischer Amateurmeister, 1974

Und was passierte auf lokaler Ebene? Richten wir den Fokus auf Nordbaden. Genauer gesagt Karlsruhe. Dort ist der Altmeister Karlsruher FV 1891 zuhause. Der KFV spielt in der 1. Amateurliga Nordbaden. Zu jener Zeit die dritte Liga. Aufgrund der Einführung der 2. Ligen ist die Spielzeit 1973/74 die letzte der 1. Amateurliga Nordbaden. Der KFV,  im letzten Jahr Vizemeister , spielt auch in dieser Saison eine gute Rolle. Als die Spielzeit auf die Zielgerade geht, kristallisiert sich ein Mehrkampf an der Tabellenspitze heraus. Der VfB Eppigen, der SV Sandhausen, der 1. FC Pforzheim, der FC Dossenheim und der Karlsruher FV konkurrieren um den Titel. Die gute Frage ist: Wer würde am Ende jubeln? Wir steigen Anfang März in das Geschehen ein.

»Feuerwerk ohne Knall« (BNN)

Am ersten Märzwochenende stieg im Stadion an der Telegrafenkaserne das kleine Lokalderby. Hausherr KFV empfing die Amateure des Karlsruher SC. Am Ende stand ein torloses Remis. Die Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) schrieben von einem »gerechten Unentschieden« und bezeichneten das Spiel als »Feuerwerk ohne Knall«. Unter dem Strich ein Punktverlust für den Karlsruher FV.
Weiter ging es am Wochenende des 16. und 17.3.: Der KFV fegte zuhause den Lokalrivalen VfB Knielingen vom Platz. Die Tore erzielten Karl-Heinz Kwolek (2) und Rolf Kilgus. Nach diesem Spieltag führte der VfB Eppingen die Tabelle vor dem Karlsruher FV an.

»Entscheidungsspiele in Sicht?« (BNN)

Nur eine Woche später erleidet der KFV einen herben Rückschlag. Das Team verliert bei Germania Forst und fällt in der Tabelle auf Platz fünf zurück. Wieder eine Woche später schlagen die Karlsruher den FV Weinheim deutlich mit 4:1 und rücken auf Platz vier vor. In der Ausgabe vom 9. April 1974 stellen die BNN die Frage: »Entscheidungsspiele in Sicht?« An diesem Spieltag hatten die Karlsruher in Dossenheim ein 2.2 erkämpft. Das hieß allerdings immer noch Platz vier.

»Zünglein an der Waage« (BNN)


Zehn Tage später war in der Spieltagsvorschau in den BNN vom »KFV als Zünglein an der Waage zu lesen«. darüber hinaus erfuhr der Leser, dass die Karlsruher ohne fremde Hilfe nicht mehr Meister werden konnten. Nur drei Tage später stand fest: Der Meister der 1. Amateurliga Nordbaden musste in einer Entscheidungsrunde ermittelt werden. Der KFV hatte an diesem letzten Spieltag Mitbewerber 1. FC Pforzheim mit 2:1 besiegt.

Nun mussten fünf Clubs in die »Extra Time«: Der VfB Eppingen, der SV Sandhausen, der Karlsruher FV, der FC Dossenheim und der 1. FC Pforzheim traten an fünf Spieltagen gegeneinander an. Los ging’s am 28. April 1974. Die Spannung war groß. Wer würde am Ende der glückliche sein?

»Nach der Pause dreht der KFV auf« (BNN)


Der 1. Spieltag der Entscheidungsrunde brachte den ersten KFV-Sieg. Karl-Heinz Kwolek (2) und Rolf Kilgus schossen die Karlsruher zu einem 3:1 gegen den 1. FC Pforzheim. »Nach der Pause dreht der KFV auf« attestierten die BNN den Karlsruhern eine enorme Leistungssteigerung in Hälfte zwei. Im zweiten Spiel trennten sich Dossenheim und Sandhausen torlos.

Der 2. Spieltag brachte den KFV der meisterschaft einen Schritt näher. Vor 3500 Zuschauern besigte der KFV den SV Sandhausen 2:1. Die Tore erzielten Kwolek und Sucietto. Im Parallelspiel besiegte der VfB Eppingen den 1. FC Pforzheim 4:3. Nach zwei gespielten hieß der verlustpunktfreie Tabellenführer Karlsruher FV.
Am 3. Spieltag waren die Karlsruher spielfrei. Auf den beiden anderen Spielfeldern lief allerdings alles für sie. Dr 1. FC Pforzheim besiegte den SV Sandhausen mit 7:2. Der FC Dossenheim schlug den VfB Eppingen 3:0.
Der 4. Spieltag brachte die Vorentscheidung. In einem dramatischen Spiel besiegte der Karlsruher FV den VfB Eppingen mit 3:2. Kwolek und Kilgus glichen die zweimalige Führung der Eppinger aus. Jung sorgte schließlich für das 3:2. gespielt wurde vor 3000 Zuschauern im Stadion in Bruchsal.

»KFV ist ein würdiger Meister« (BNN)

Karlsruher FV, nordbadischer Amateurmeister 1974

Abgekämpft und glücklich – der Karlsruher FV, ein würdiger Meister (BNN)  Foto: KFV-Archiv

Am 5. Spieltag schlug der Karlsruher FV den FC Dossenheim 3:0. 2500 Zuschauer waren ins Stadion nach Oberhausen gekommen, um den neuen Meister der 1. Amateurliga Nordbaden zu sehen und zu feiern. Die Karlsruher Tore erzielten Kwolek (2) und Jung. »KFV ist ein würdiger Meister« bescheinigten die BNN dem Karlsruher FV.

Aufgrund der Einführung der zweigeteilten 2. Ligen (Nord und Süd) gab es in diesem Jahr keine Aufstiegsspiele. Der Karlsruher FV spielte um die Deutsche Amateurmeisterschaft, schied jedoch schon in der 1. Runde gegen den südbadischen Vertreter FC 08 Villingen aus.

Der Gewinn der nordbadischen  Amateurmeisterschaft war das letzte Highlight des Karlsruher FV 1891. Danach sollte alles anders werden.
Innerhalb kürzester Zeit fiel die erfolgreiche Mannschaft auseinander. Die Spielzeit 1974/75 verlief noch in einigermaßen vernünftigen Bahnen. Schom im Jahr darauf sah alles ganz anders aus. Am Ende der Saison 1975/76 stieg der Karlsruher FV in die 2. Amateurliga Mittelbaden ab. Dies war der Anfang des unaufhaltsamen Niedergang dieses einstmals so erfolgreichen Vereins. Deutscher Meister 1910, Deutscher Vizemeister 1905 und 1912, Süddeutscher Meister 1901 bis 1905 und 1910 bis 1912, Deutscher Vizeamateurmeister 1951, nordbadischer Pokalsieger 1961, 1962 1965, nordbadischer Amateurmeister 1952 und 1974 – das war plötzlich alles Vergangenheit. Die Gegenwart und die Zukunft würden dagegen ganz anders aussehen. Der Niedergang sollte schließlich in den Jahren 2003/2004 mit dem Verlust des Vereinsgeländes und des Stadions an der Telegrafenkaserne seinen Höhepunkt finden.

Unaufhaltsamer Niedergang und Verlust des Stadions

Karlsruher FV, Abriss ehemaliges Vereinsgelände

Das bittere Ende – Der Abriss des ehemaligen Vereinsgeländes des KFV. Foto: KFV-Archiv

Und es kam der Tag, da stand der einst so ruhmreiche Karlsruher FV 1891, der Deutsche Meister von 1910, ohne Heimat, sprich eigenes Vereinsgelände, da. Welch ein Niedergang. In den Anfangszeiten des Fußballs hatte dieser großartige Club Standards gesetzt. Nun ging es in der Karlsruher Nordweststadt nur noch um die nackte Existenz.
Und schmutzig wurde es auch. Das Gelände des Stadions war auch von anderer Seite begehrt. Die Stadt Karlsruhe tat wenig bis gar nichts, um das traditionsreiche Stadion des Deutschen Meisters von 1910 zu erhalten. In diesem Stadion hatte die Deutsche Nationalmannschaft am 4. April 1909 ihren ersten Sieg eingefahren. es war ein knappes 1:0 gegen die Schweiz. Eigentlich Grund genug, dieses Stadion für die Nachwelt zu erhalten.
Heute steht dort ein Seniorenheim. Der Verein, der entgegen anders lautender Aussagen, nie aus dem Karlsruher Vereinsregister gelöscht worden war, verschwand komplett in der Versenkung. Einige Idealisten um den heutigen 2. Vorsitzenden Steffen L. Herberger wollten diese große Sache nicht so enden lassen. Sie fingen ganz klein und ganz weit unten wieder an. So manch einer dürfte sie belächelt haben. Nach Jahren der Wanderschaft über verschiedene Karlsruher Vereinsgelände hat der KFV aktuell wieder eine Heimat gefunden. Durch die Fusion der drei Rüppurrer Clubs FG 04, DJK und Alemannia konnte der KFV das vakante Gelände der DJK Rüppurr übernehmen. Auch gelang den 1. Herren 2018 der Aufstieg von der C- in die B-Klasse. Immerhin, ein erster größerer Schritt in eine hoffentlich bessere Zukunft.

Danke
Ein großes Dankeschön an Steffen L. Herberger und den Karlsruher Fußballverein für die Überlassung des Archiv-Bildmaterials für diese Geschichte!!!