Steffen L. Herberger ist 2. Vorsitzender des Karlsruher FV. Der Urgroßneffe von Sepp Herberger entdeckte während seiner Studienzeit seine Liebe zum KFV. Heute widmet der Wirtschaftsingenieur, der in einer Unternehmensberatung in Frankfurt/Main arbeitet, seine Freizeit dem Traditionsverein. Darüber hinaus engagiert er sich auch für die Sepp-Herberger-Stiftung.
Kabine: Hallo Herr Herberger, zunächst einmal Gratulation zum Aufstieg Ihrer 1. Herren in die Kreisklasse B. Es war schön zu hören, dass es beim KFV voran geht. Haben Sie eigentlich auch selbst Fußball gespielt?, Wenn ja, wo (in der Herberger-Tradition beim FV Wiesental)?
Steffen L. Herberger: Ja, das habe ich. Beim SV Philippsburg in der Jugend (im Norden von Karlsruhe), da das am nächsten lag. Dann ab dem Studium beim KFV und während eines Auslandsaufenthalts beim FC Casteljaloux. Als echter Herberger – da haben Sie recht – hätte ich eigentlich bei den »Zwölfern“« in Wiesental spielen müssen.
Kabine: Wie sind Sie zum KFV gekommen? Hat das mit Ihrem Großonkel Johann Herberger zu tun, der ja auch für diesen Verein gespielt hat?
Steffen L. Herberger: Mein Opa hatte bei sich im Bücherregal eine Art Weltalmanach stehen, mit dem vielsagenden Namen »Alles was ich wissen muss«, mit allerlei Statistiken zu Politik, Wissenschaft und Sport. Ich habe als Kind darin gerne geblättert und als ganz junger Fußballfan hat mich natürlich die Aufstellung der deutschen Fußballmeister interessiert. Spannend fand ich damals, dass ich von den ersten Meistern ab 1903 kaum einen Verein aus der Bundesliga wiedererkannt habe und noch spannender fand ich, dass es einen Karlsruher Verein gab, der gemessen an den Endspielteilnahmen, noch erfolgreicher war, als der KSC. Von da an kannte ich den Verein und habe unregelmäßig in der Zeitung den Tabellenstand verfolgt.
Als ich dann etwas älter war und viel zu Sepp Herberger gelesen habe, ist mir dabei auch die DFB-Studie von Nils Havemann zur NS-Geschichte in die Hände gefallen, in der von den KFV-Nationalspielern Hirsch und Fuchs die Rede war.
Der Platzvermieter hat dem KFV kurzerhand den Strom abgestellt
Jahre später – von der Fast-Insolvenz und dem Verlust des Stadions hatte ich überhaupt nichts mitbekommen – habe ich als Student im 2. Semester mit zwei Kommilitonen einen Verein gesucht, bei dem wir zum Spaß neben dem Studium etwas Kicken können, ohne dabei allzu viel trainieren zu müssen. Als ich die Vereinsnamen der unteren Amateurklassen durchgegangen und auf den KFV gestoßen bin, wusste ich natürlich sofort um die Bedeutung des Vereins und ich erinnerte mich an die Geschichte. Wenig später sind wir dann dort schließlich zum ersten Training gegangen. Es war ziemlich erbärmlich. Das Training musste ausfallen, weil der Platz-Vermieter dem KFV kurzerhand den Strom abgestellt hat. Es gab damals nicht einmal eine Mitgliederliste oder einen vollbesetzten Vorstand. Ich war und bin seitdem von der Idee angefixt, dass man aus dem KFV etwas machen kann.
Kabine: Was fasziniert Sie an diesem Club, der innerhalb relativ kurzer Zeit alles verloren hat? Für eine große Vergangenheit kann man sich bekanntlich nichts kaufen und die Gegenwart, trotz Aufstieg in die B-Klasse, ist eigentlich auch sehr bescheiden.
Deutsche Fußballkultur und Archetyp eines Traditionsvereins
Steffen L. Herberger: Der Verein war einer der großen Fußballklubs in der Frühgeschichte des deutschen Fußballs, ältester Fußballverein Süddeutschlands, Ex-Meister, zahlreiche Nationalspieler hervorgebracht (darunter die beiden einzigen Nationalspieler jüdischen Glaubens Julius »Juller« Hirsch und Gottfried Fuchs). Der Meisterstern prangt auf unseren Trikots, inzwischen gibt es gar ein Theaterstück zu einem Teil unserer Vereinsgeschichte (»Juller«), und, und, und….
Kurzum, der KFV ist ein Stück deutscher Fußballkultur und Archetyp eines Traditionsvereins. Das neu eröffnete DFB-Museum in Dortmund zeigt heute mehr Exponate zum KFV als zu manchem früheren Bundesligisten. Das fasziniert nicht nur mich sondern auch viele andere und ist Grund für unsere Motivation. Diese Floskel »Von Tradition kann man nichts kaufen« stimmt deshalb eben nicht ganz. Kaufen können wir uns davon in der Tat nichts. Aber die Tradition stiftet starke Identität, Bindung, weckt Interesse und macht eben das Besondere aus, was uns von anderen Vereinen unterscheidet. Gerade dieser Kontrast: Großes Erbe hier – schmale Gegenwart da, macht es eigentlich erst zu einer spannenden Aufgabe, innerhalb des alten KFV-Mantels etwas neu aufzubauen. Dafür haben wir viel Gestaltungsfreiheit und einige engagierte, tolle Leute – und das macht Spaß.
Kabine: Was wollen Sie mit dem KFV erreichen? Gibt es da einen Masterplan? Sie konnten inzwischen ja auch ein paar Ehemalige (Herbert Durand, Thomas Gubitz und Karl-Heinz Kwolek) für die Vereinsarbeit gewinnen.
Steffen L. Herberger: Wir wollen den KFV wieder im Karlsruher Amateurfußball und als Verein selbst festigen. Das bedeutet: Weitere Mannschaften im Herren-, Damen- und insbesondere im Jugendbereich aufbauen, die Mitgliederbasis stetig ausbauen und natürlich auch eine feste Heimat finden. Letzteres ist Voraussetzung für vieles. Mit dem Aufstieg unserer Herren in die B-Klasse, der Neugründung der Damenabteilung die prompt Landesligameister wurde, sind wir diese Saison einen großen Schritt vorwärts gegangen.
Erfolg abhängig von den Ehrenamtlichen
Unser Erfolg ist natürlich 1-1 abhängig von den Ehrenamtlichen unseres Vereins: Unsere Ex-Spieler Dirk Hauri, Detlev Strebel und Herbert Durand sowie viele engagierte KFVler wie Sven Waeldin, David Strebel, Daniel Ade, Alex Holley, Daniel Schönwitz und viele mehr stehen hinter dem sportlichen Erfolg der Mannschaft. Bei den Damen sind es Sophia Zimpfer und unser Trainer, Ex-Bundesligaprofi Wilfried Trenkel. Die (wieder-)gewonnenen Ehemaligen sind insbesondere wichtig, die AH-Abteilung weiter zu etablieren (dieses Jahr steht ein Spiel gegen die AH des derzeitigen Schweizer Meister Young Boys Bern an), hier ist vor allem Wolfgang Ade sehr rührig.
Kabine: Aktuell hat der KFV keine eigene Heimat und damit im Prinzip auch keine Identität mehr. Wenn wir andere Clubs nehmen, die leben schlichtweg von ihrer Herkunft. Insofern ist der KFV eines wesentlichen und wichtigen Elementes beraubt, da ein eigenes Gelände der Grundstock für ein erfolgreiches Arbeiten ist. Wie wollen Sie eine neue Identität für den Club schaffen?
Steffen L. Herberger: Das würde ich so nicht sagen. Durch den Verlust des Stadions an der Telegrafenkaserne ist natürlich viel verloren gegangen, aber der Verein hat, wie bei der vorherigen Antwort beschrieben, weiterhin eine große Anziehungs- und Bindungskraft aufgrund seiner vielen Alleinstellungsmerkmale. Das ist der eine Faktor. Das andere ist die wachsende Vereinsgemeinde, die sich durch ein immer lebhafteres Vereinsleben und mit einhergehenden Mitgliederzahlen etabliert. Gerade in diesem Jahr haben wir dazu einen großen Schritt gemacht. Unsere Herren- und die neue Damenmannschaft haben dazu sehr viel beigetragen.
Kabine: Sehen Sie eine Möglichkeit, wieder auf das Gelände an der Telegrafenkaserne zu kommen? Das wunderbare Stadion ist zwar abgerissen, aber immerhin steht die Mauer zur Straße noch. Zumindest hätte der Blick auf Teile der Mauer und das Gebäude dahinter noch eine gewisse Anmutung an die guten alten KFV-Zeiten.
Steffen L. Herberger: Ja, mittel- bis langfristig können wir schon eine Chance haben. Neben den Mauern steht dort ja auch der alte Sportplatz und die natürlich die unverwechselbare Kulisse. Wir haben eine lange, von der Stadt Karlsruhe moderierte, Gesprächsreihe mit dem jetzigen Pächter-Verein des Platzes vollzogen, in der es um Rahmenbedingungen einer Rückkehr ging, leider noch ohne Ergebnis. Alle Beteiligten würden von einer Rückkehr des KFV an seine Heimstätte profitieren. Der jetzige Pächter bekäme Mieteinnahmen und der älteste Fußballverein Karlsruhes, von dessen sportlicher Rolle die Stadt schon immer profitierte und sich heute noch gerne rühmt, würde an seine Heimstätte kommen, wo er schon fast 100 Jahre über spielte. Die Karlsruher Stadtverwaltung freut sich heute daran, dass das DFB-Präsidium mit prestigeträchtigen Veranstaltungen, wie der Verleihung des Julius-Hirsch- oder des Gottfried-Fuchs-Preises in Karlsruhe gastiert, da die Namensträger dieser Preise Spieler unseres Vereins waren, stellt mit Stolz unseren Meisterschaftswimpel im Stadtmuseum aus, gesteht aber dem Verein nicht zu, auf seinem eigenen Platz zu spielen. Das halte ich nicht für aufrichtig, aber so langsam wächst auch in der Kommunalpolitik dafür das Bewusstsein.
Kabine: Betrachten wir die aktuelle Lage, dann steht der KFV derzeit ohne Jugendabteilung da. Eigentlich ein massives Problem, da ein Club auf einer solchen Basis nichts entwickeln kann. Gibt es schon Pläne bezüglich einer Nachwuchsabteilung?
Steffen L. Herberger: Der Aufbau einer Jugendabteilung ist seit geraumer Zeit unser Ziel. Bisher war das nicht möglich, da wir kein eigenes Sportgelände haben und wir als Mieter nicht die dafür erforderlichen Kapazitäten bekommen. Wir haben in der kommenden Saison vielleicht die Möglichkeit auf dem Gelände in Rüppurr mit einer Spielgemeinschaft an den Start zu gehen. Falls daraus nichts wird, kommen wir sicher ein Jahr darauf zum Zug.
Kabine: Herr Herberger, stellen Sie sich vor, Sie hätten zum Thema »KFV« einen Wunsch frei. Wie würde der aussehen?
Steffen L. Herberger: Ich würde uns eine sportliche Heimat wünschen, denn das ist der Schlüssel zu allen anderen Zielen, die wir haben. Bestenfalls natürlich in der Nordweststadt, am alten Platz an der Telegrafenkaserne.