In seinem Buch »Kurvenrebellen – Die Ultras – Einblicke in eine widersprüchlichen Szene« hat sich Christoph Ruf auf Spurensuche im Fanmilieu begeben. Die Antworten, die er auf seiner Rundreise gefunden hat, sind teilweise überraschend. Das Thema ist ein Dauerbrenner, der immer wieder hochkocht.
So sollte sich der Frust nicht entladen
Kabine: Herr Ruf, Relegationsspiel SV Waldhof vs. KFC Uerdingen, Fantumulte, Pyros, Spielabbruch. Das Thema ist einmal mehr auf der Tagesordnung. Kurz gefragt: Was sind das für Fans? Und gleich nachgelegt: Was darf ein Fan eigentlich?
Christoph Ruf: Zum Thema Waldhof: Ich war privat dort, wollte eigentlich nur Fußball schauen und habe das dann erlebt. Im Waldhof-Block waren rund 50 junge Leute – Ultras – am Werk, die den Affen gemacht haben.
Die ganze Sache ist eskaliert. Die Waldhof-Fans waren am Ende fertig mit der Welt. Wieder hat es nicht geklappt mit dem Aufstieg und so etwas zerrt an den Nerven. Aber so sollte sich der Frust nicht entladen.
Ein Fan ist einer, dem der Verein am Herzen liegt. Er darf – im positiven Sinne – alles, aber wenn es dann daran geht, sich über das hinwegzusetzen, was der Rest des Stadions will – und das war sicher kein Spielabbruch – wird`s anmaßend.
…leider kein Ende in Sicht
Kabine: Eine klare Definition. Aber sind wir mal ehrlich, der Fan, der den Fußball wirklich liebt, der hat es doch heute in Zeiten von Prosecco und Business-Logen wirklich nicht leicht. Das hat doch mit richtigem »Fußball-Feeling« nicht mehr viel zu tun.
Christoph Ruf: Nochmal zurück zu den Fans. Ein Fan ist kein Kunde, den man einfach melken kann. Ein Fan ist ein wesentlicher Bestandteil des Fußballs. Ohne Fans keine Stimmung, ohne Fans kein Support, usw.. Die Damen und Herren in den Business-Logen sind oft aus anderen Gründen im Stadion. Die hängen nicht am Verein, Sehen und gesehen werden, das sind hier die Zauberworte.
Die zunehmende Eventisierung des Fußballs entfremdet den Fan von seinem Verein. Da sitzt die Prosecco-Fraktion wichtig in der Loge, klimpert mit den Gläsern und prostet sich dann zu. Dann sehen Sie sich noch die generelle Entwicklung an. Die Preise gehen regelmäßig nach oben. Neulich war ich mit meinem Sohn bei einem Spiel bei Jahn Regensburg. Wir hatten keine sonderlich guten Sitzplätze, in der Kurve, sollten aber 56 Euro (36,00 und 20,00) dafür bezahlen. Das ist Wahnsinn. Dazu kommt dann auch noch, dass man als Zuschauer im Stadion einer Dauerberieselung ausgesetzt wird, bei besagtem Spiel eine halbe Stunde bis kurz vor den Anpfiff. Und es ist leider kein Ende in Sicht.
… mal beim nächsten Oberligisten vorbeischauen
Kabine: Welche Möglichkeiten hat ein normaler Fan eigentlich noch, sich gegen diese Tendenzen aufzulehnen oder zumindest zu wehren?
Christoph Ruf: Die Fanproteste in der vergangenen Saison, als sich fast alle relevanten Ultragruppen und Fanclubs zusammen geschlossen haben, um gegen Kommmerzialisierung und für den Erhalt der 50+1-Regel zu demonstrieren, haben schon Eindruck hinterlassen – auch bei Verbänden und Vereinen. Letztlich wissen aber die meisten Fans, dass sie die Entwicklung nicht aufhalten, sondern höchstens bremsen können. Mal ein frevelhafter Gedanke: Vielleicht sollten einige Fußballfans mal wieder beim nächsten Oberligisten vorbeischauen. Da finden sie noch vieles von dem, was in der Bundesliga wegstirbt. Und der Fußball ist manchmal überraschend attraktiv.