Norbert Nußbaum: Düsseldorfer, Fußballer, Schiedsrichter und Chronist des Düsseldorfer Fußballs der Frühzeit. Auf seiner Website www.fussball-nostalgie.de stellt er seine diversen Bücher vor. Wir hatten die Gelegenheit, mit Norbert Nußbaum zu reden.
Kabine: Hallo Herr Nußbaum, Sie haben etliche Bücher über den Düsseldorfer Fußball geschrieben, waren Sie eigentlich auch selbst aktiv?
NN: Ja, ich habe von der D-Jugend an selbst aktiv gespielt. Als Torhüter habe ich es bis in die damalige 3.Liga gebracht. TSV Eller 04 und VfL Benrath 06 waren meine Vereine. 1971, nach dem Ende meiner aktiven Karriere, bin ich dann Schiedsrichter geworden. Inzwischen bin ich Ehrenmitglied der Düsseldorfer Schiedsrichtervereinigung. Sie sehen, ich habe den Fußball selbst erlebt, bin in der Lage, ihn zu verstehen und somit keinesfalls ein Theoretiker, der Daten sammelt (lacht).
Zweimal krankenhausreif geprügelt
Kabine: Schiedsrichter, da werfen Sie ein Stichwort in die Runde. Wie sehen Sie die aktuellen Diskussionen um die Schiedsrichter bzw. die
Beleidigungen und die Angriffe gegen Schiedsrichter?
NN: Das gab es früher auch schon. Ich wurde in meiner Schiedsrichterzeit zweimal krankenhausreif geprügelt. Das ist auch ein Problem der Vereine und Verbände. Der eine Spieler, der mich verprügelt hat, war eigentlich lebenslang gesperrt. Da frage ich mich, wie kann so einer noch auflaufen? Was sind das für Vereine, die das zulassen? Wo ist der betreffende Verband, der sich konsequent und nachhaltig darum kümmert? Ganz ehrlich, ich möchte auch nicht wirklich wissen, was in der langen Fußballhistorie diesbezüglich schon alles passiert ist.
Was das Heute angeht, so ist die gesellschaftliche Verrohung sicherlich eine der Hauptursachen, dass Schiedsrichter so angegangen werden. Schauen Sie sich die Moral an, die in den Medien und den sozialen Netzwerken vorherrscht. Das ist wirklich nicht mehr normal.
Kabine: Gehen Sie eigentlich noch regelmäßig zum Fußball?
NN: Ich gehe zwar noch ab und an hin, aber nicht mit der Spontaneität und der Dauerhaftigkeit. Der Amateurfußball von damals und heute unterscheidet sich doch sehr. Die spielerische Substanz in den Amateurklassen ist echt traurig. Dazu kommen auch die stark sinkenden Zuschauerzahlen. Früher konnte man bei lukrativen Spielen im Amateurbereich durchaus 2 bis 3000 Zuschauer begrüßen. Heute kommen da vielleicht noch 150 bis 200 Zuschauer. Das ist echt schade.
Ich denke, da hat auch der DFB mit seiner Devise »Leistungssport nach vorne« stark dazu beigetragen. Für meine Begriffe war es die total falsche Entscheidung, den Leistungsdruck in den Jugendbereich zu bringen. Früher konnte ein junger Spieler in Ruhe reifen und sich entwickeln. Wenn Sie heute zu einem Spiel der C-Junioren gehen, da stehen mehr Scouts anderer Vereine als sonstige Zuschauer auf den Plätzen. Betrachten Sie die Leistungszentren der Profivereine. Meiner Ansicht nach kommt da viel zu wenig heraus. Außer den Top-Talenten landet der normale A-Junioren-Bundesligaspieler in der Regel in der Ober- oder der Verbandsliga. Für mich ist das eindeutig zu wenig.
Diese Festschrift hat mich auf die Palme gebracht
Kabine: Kommen wir nun zu Ihren Büchern. Wie ist die ganze Sache eigentlich entstanden?
NN: Das war durchaus kurios. Im Jahr 2004 feierte Eller 04 das Hundertjährige. Dazu wurde eine Festschrift erstellt und er Chronik-Teil war sehr mäßig und fehlerhaft. Das hat mich auf die Palme gebracht und ich habe gesagt, ich kann das besser. Dann habe ich eine neue Chronik für Eller 04 erstellt (Anm. der Redaktion: Die Chronik beinhaltet drei Bände mit rund 750 Seiten).
Die Recherche und das Zusammentragen der Bilder und Fakten haben mich total fasziniert. Da habe ich mich entschlossen, eine Chronik des Düsseldorfer Fußballs zu erstellen. Drei Bände sind bereits fertig, am vierten, der bis ins Jahr 1933 gehen wird, arbeite ich noch.
Sind wir ehrlich, viele Menschen sind an Historie nicht sonderlich interessiert. Da heißt es dann »alter Kram, komm‘, wirf‘ weg«. Ich denke nicht, dass man so an die Sache herangehen sollte. Für mich sind auch diese Zeiten interessant. Wie haben die Leute gelebt, wie haben sie Fußball gespielt, wie ist das alles entstanden. Ohne diese Pioniere würde heute alles anders aussehen.
Ich habe das alles für mich gemacht
Kabine: Mit welcher Zielstellung sind Sie da an die Arbeit gegangen?
NN: Ich wollte den frühen Düsseldorfer Fußball vollumfänglich dokumentieren. Spieler, Spiele, Tore, Plätze, Vereine – einfach alles, was geht. Wichtig war dabei: Es gab und gibt keinen wirtschaftlichen Aspekt. Ich mache das für mich! Ich konnte mich gut in die jeweilige Zeit versetzen und es hat mir sehr viel Spaß gemacht, dies alles zusammenzutragen.
Die Kosten, die Bücher zu produzieren und zu vertreiben, die Reisekosten, etc., die habe ich alle selbst getragen. Unterm Strich muss ich sagen, es hat sich absolut gelohnt. Durch meine Arbeit habe ich viele interessante Kontakte erhalten. So zum Beispiel auch zu Dr. Werner Raupp, der ein Buch über Toni Turek geschrieben hat. Wir arbeiten immer noch zusammen. Ich hoste auch seine Website über Toni Turek.
Es gibt da auch durchaus kuriose Geschichten. In einem Fall wurde ich von einem Profiverein kontaktiert, für den ich etwas recherchieren sollte. Entlohnen wollten sie allerdings nichts. Auch wenn keine wirtschaftlichen Interessen hinter meiner Arbeit stehen, sowas mache ich dann nicht. Die bezahlen Ihren Spielern Millionen und wollen dann auf so einem Sektor alles geschenkt haben. Das geht gar nicht.
Kabine: Haben Sie eigentlich noch weitere Projekte in Planung?
NN: Ich will jetzt erstmal den Band bis 1933 fertigstellen. Dann habe ich die Zeit von den Anfängen des Düsseldorfer Fußballs bis 1933 vollständig aufgearbeitet. Momentan habe ich keine weiteren Projekte in Planung. Die Chroniken beschäftigen mich jetzt schon 15 Jahre. Das ist eine lange Zeit. Da mich das Thema «Fußballhistorie« aber sehr fasziniert, will ich nicht ausschließen, dass es mich irgendwann noch einmal packt. Darüber hinaus habe ich den Plan, die Chronik von Eller 04 zu aktualisieren. Auch das wird eine große Aufgabe.
Fotocredits: Die in dieser Geschichte verwendeten Fotos sind Ausschnitte aus den Buchcovern der Düsseldorfer Fußball-Chroniken. Sie wurden uns von Autor Norbert Nußbaum dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.
Das Foto von Herrn Nußbaum stammt aus seiner Privatsammlung, © Norbert Nußbaum