Råsunda fotbollsstadion

Råsunda fotbollsstadion, Pressetribüne und Hochhaus, 2012

Die Pressetribüne im Råsunda Stadion, links das Hochhaus, November 2012

Der ehemalige König war nach Solna gekommen, um Abschied zu nehmen von jener Stätte, an der er 1958, erst 17-jährig, den Fußball-Thron bestiegen hatte. Das Länderspiel Schweden – Brasilien (0:3), das letzte im legendären Råsunda fotbollsstadion, bot den idealen Rahmen. Noch einmal ließ sich Edson Arantes do Nascimento – der große Pelé – an diesem 15. August 2012 vom schwedischen Publikum feiern. Wie an jenem 29. Juni 1958, als die Brasilianer im WM-Finale, Pelé traf zweimal, Gastgeber Schweden elegant mit 5:2 zerlegten und erstmals Weltmeister wurden. Das war keine leichte Aufgabe, war das Tre-Kronors-Team doch gespickt mit Leuten wie »Nacka« Skoglund, Gunnar Gren, Nils Liedholm oder Kurt Hamrin. Absolute Meister ihres Fachs, die in Italien spielten oder gespielt hatten.

Auch »Kaiser Franz« war hier am Ball

Råsunda fotbollsstadion, Bushaltestelle

Bushaltestelle am Råsunda Stadion

Da wir gerade beim »Fußball-Adel« sind: Auch ein Kaiser setzte seinen Fuß auf den Rasen von Råsunda. Franz Beckenbauer feierte dort sein Länderspieldebüt. Am 26. September 1965 traf Deutschland im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel in Stockholm auf die Schweden. Das deutsche Team siegte, nach Rückstand, durch Tore von »Eia« Krämer und Uwe Seeler mit 2:1 und fuhr im Sommer 1966 nach England. Aus diesem Spiel stammt auch der Zuschauerrekord: 52943 Zuschauer drängten sich an jenem Tag auf den Rängen.

An dieser Stelle in Råsunda gab es auch vorher schon ein Fußballstadion (Kapazität 12.000 Zuschauer), das auch bei den Olympischen Spielen 1912 als Spielstätte genutzt wurde. In den 30er Jahren ließ der schwedische Fußballverband (Svenska Fotbollförbundet) an dieser Stelle ein neues Stadion bauen. Offizielle Stadioneinweihung war am 17. Mai 1937 mit dem Länderspiel Schweden – England (0:4). Schon vor der offiziellen Eröffnung, am 18. April 1937, wurde das erste Allsvenskan-Ligaspiel im neuen Stadion ausgetragen. AIK Solna schickte Malmö FF mit einem klaren 4:0 nach Hause. In den Jahren zwischen 1937 und 2012 diente Råsunda sowohl als Nationalstadion, wie auch dem AIK Solna als Heimstätte. Den Zuschauerrekord für ein Ligaspiel stellte allerdings 1959 Djurgårdens IF in einer Begegnung gegen IFK Göteborg auf. Damals waren rund 48.900 Zuschauer im Stadion.

Das Stadion wurde 1985 umgebaut und renoviert. Bei der EM 1992 fanden hier drei Vorrundenspiele sowie das Halbfinale Schweden – Deutschland (2:3) statt. 1995 war das Stadion Austragungsort des WM-Finales der Frauen. Norwegen schlug Deutschland und wurde Weltmeister. Damit war Råsunda das erste Stadion, in dem sowohl eine Herren- als auch ein damenfinale stattgefunden hatte. Inzwischen ist die Rose Bowl in Los Angeles dazu gekommen. Im Mai 1998 trafen sich hier der FC Chelsea und der VfB Stuttgart, um das vorletzte Finale um den Europapokal der Pokalsieger auszutragen. Die »Blues« hatten dabei das bessere Ende für sich.

2006 kam das Aus

Das ehemalige Råsunda Stadion, abgerissen, November 2014

Das Gelände nach dem Abriss des Stadions, Ende November 2014

Am 1. April 2006 – leider kein Aprilscherz – beschloss der schwedische Verband, ein neues Nationalstadion zu bauen. Damit war das Ende für das Råsunda fotbollsstadion beschlossene Sache. Da es bei den Stockholmer Derbys immer wieder zu Krawallen gekommen war, wurden nach dem Sommer 2006 sämtliche Derbys im Råsundastadio ausgetragen. Das letzte am 16. September 2012. Dabei schlug AIK Solna Djurgårdens IF mit 3:0.
Das letzte Spiel in der Allsvenskan fand am 4. November 2012 statt. Ironischerweise kam es dabei erneut zum Aufeinandertreffen AIK Solna – Malmö FF, quasi ein Remake des Erstlings von 1937. Die Spieler aus Malmö kehrten wieder mit eine Niederlage im Gepäck nach Hause zurück. Allerdings fiel sie dieses Mal (0:2) nicht ganz so heftig aus wie im April 1937.
Das unwiderruflich letzte Spiel im Råsunda fotbollsstadion war die Europe League-Begegnung AIK Solna – SSC Neapel (1:2) am 22. November 2012. Drei Tage später, am 25. November waren die Fans eingeladen, sich Erinnerungsstücke aus dem Stadion mitzunehmen. Danach war das Råsunda fotbollsstadion Geschichte.

Der Name »Råsunda« wird niemals sterben

Råsunda Stadion heute

So sieht es heute aus, li. das Hochhaus, Dezember 2018

Auf dem ehemaligen Stadiongelände sollen Büros und Apartments entstehen. 2013 rückten die Abrissbagger an und machten das Stadion platt. Mit der neuen Nutzung des Geländes enden mehr als 100 Jahre Sporthistorie an dieser Stelle. Unter dem Strich bleibt einmal mehr die Erkenntnis, dass der Fußball mit seinen Kulturgütern äußerst leichtfertig umgeht. Muss man wirklich alles dem Profit unterordnen? Zugegeben, das Stadion war alt und passte möglicherweise nicht mehr in die Zeit der modernen, aber auch gesichts- und seelenlosen Multifunktionsarenen. Doch das Råsundastadion hatte etwas, was viele der neuen Arenen wahrscheinlich niemals besitzen werden: Tradition und Spirit. König Pelé brachte es auf den Punkt, als er sagte, dass »der Name Råsunda niemals sterben wird«, auch wenn das Stadion nicht mehr länger existiert. Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

 

Alle Fotos zu dieser Geschichte: © edition Alaska