Stade Joseph Marien (2011)

Stade Joseph Marien, St. Gilloise

»Football For Fans«, Stade Joseph Marien, St. Gilloise

In diesem Jahr führte die Auslosung der Europa League-Gruppen den 1. FC Union Berlin und den belgischen Club Royale Union St. Gilloise zusammen. Mit einem Sieg im abschließenden Spiel in Leuven (dort musste das Spiel ausgetragen werden, da das Stadion von USG die Vorgaben der UEFA nicht erfüllt) sicherte sich der FCU das Überwintern in Europa. Royale Union St. Gilloise? Da wurden beim Chronisten sofort alte Erinnerungen an seinen Besuch im Stade Joseph Marien, der Heimstätte des belgischen Erstligisten, wach. Doch der Reihe nach.

Drehen wir die Zeit etwas zurück: Der zweite Advent 2011, ein naßkalter, unangenehmer Sonntag. Auf dem Programm stand ein Besuch bei Royale Union St. Gilloise. Wir waren gespannt, was uns in der belgischen Hauptstadt erwarten würde. Royale Union war einstmals eine ganz große Nummer in Belgien. In der Zeit zwischen 1904 und 1935 holten die Hauptstädter elf Meistertitel und zwei Pokalsiege. In der Zeit vom 8. Januar 1933 bis 10. Februar 1935 blieben sie in gar in 60 Spielen ungeschlagen. Eine wahrhaft beeindruckende Serie.
Danach versank der Club langsam in der Mittelmäßigkeit. Zur Zeit des Besuchs des Chronisten spielte St. Gilloise in der 3. belgischen Liga. Fußballerische Leckerbissen waren somit wohl nicht zu erwarten. Erst 2015 gelang Royale Union der Aufstieg in die 2. Liga. In der Spielzeit 2020/21 schaffte St. Gilloise dann den Sprung in die Jupiler League, Belgiens erste Liga. Im folgenden Jahr konnte sich der USG gar für die Teilnahme an der Europa League qualifizieren. Die Wiedergeburt eines einstmals sehr großen Clubs.

Vom Stade du Parc Duden zum Stade Joseph Marien

Diverse belgische Nationalspieler trugen das Trikot des Altmeisters: Louis van Hege, Achille Meyskens, Gustave Vanderstappen jagten in den goldenen USG-Jahren dort dem Leder hinterher. Jan Verheyen, später Meister mit Anderlecht, war in den 70ern hier aktiv. Und auch ein Bundesligaprofi trug das Blau-Gelb von St. Gilloise. Harald Nickel, Arminia Bielefeld, Eintracht Braunschweig und Borussia Mönchengladbach, ging hier auf Torejagd. Harald Nickel? Genau, die Älteren werden sich erinnern, der mit den Elfmetern aus dem Stand.

Stade Joseph Marien, St. Gilloise

Schweigeminute für einen verstorbenen Fan, Stade Joseph Marien, St. Gilloise

Büste von Joseph Marien, Namensgeber des Stadions von St. Gilloise

Büste des ehemaligen St. Gilloise-Präsidenten Joseph Marien, Stade Joseph Marien, St. Gilloise

Doch nun zurück zu jenem naßkalten Adventssonntag im Jahr 2011. In der Woche vor dem Spiel war ein treuer USG-Fan verstorben. Diesem wurde vor dem Spiel noch einmal ein großer Bahnhof bereitet. Nach Ehrung und Schweigeminute war es jedoch schnell vorbei mit innerer Einkehr und Besinnlichkeit. Die beiden Teams schenkten sich nichts und gingen heftig zur Sache. Es wurde kräftig getreten. Fußball-Feinkost sieht anders aus. Am Ende entführten die Gäste des KRC Mechelen drei Punkte aus der Hauptstadt. Das Ende eines naßkalten Sonntagnachmittags. Dennoch war der Besuch im Stade Joseph Marien bei einem der traditionsreichsten belgischen Clubs eine feine Sache.

Die Geschichte des Stadions ist auch interessant. Im Jahr 1909 kaufte Royale Union ein Gelände am Duden Park im Bezirk Forest/Vorst. Sechs Jahre später war schließlich Baubeginn für das neue Stadion. Am 14. September 1919 wurde das Stade du Parc Duden (Duden Park Stadion) mit einem Freundschaftsspiel gegen Milan eingeweiht. Im folgenden Jahr war Antwerpen Gastgeber der Olympischen Sommerspiele. Während des Turniers wurden auch drei Spiele im Stade du Parc Duden ausgetragen.
Der nächste Schritt folgte dann In den 20er Jahren. Das Stadion wurde umgebaut und vergrößert. Nach dem Ende der Baumaßnahmen trafen sich Royale Union und der FC Dordrecht zum Einweihungsspiel. Die Niederländer bürsteten die Gastgeber mit einem klaren 6:3 ab.
Anfang 1933 verstarb Joseph Marien, der Präsident von Royale Union, an einem Herzanfall. Nach seinem Tod wurde das Stadion ihm zu Ehren in Stade Joseph Marien umbenannt.

Art Deco-Fenster im VIP-Bereich

Stadion St Gilloise

Art Deco-Fenster im VIP-Bereich, Stade Joseph Marien, St. Gilloise

Das Stadion liegt im St. Gilloise/Sint Gillis benachbarten Bezirk Forest/Vorst in einem Multikulti-Wohngebiet. Der Chronist hatte Glück. Vorgewarnt durch den Pressesprecher des Clubs, sicherte ihm sein mehr als frühzeitiges Erscheinen einen Parkplatz in Stadionnähe. Interessant: Ein Anwohner schien sich in seiner sonntäglichen Ruhe gestört zu fühlen und schlich, mit einer Digitalkamera bewaffnet, durch die Straße. Wahrscheinlich dokumentierte er Falschparker, um sie hinterher zu denunzieren. Kein wirklich feiner Zug. Wir sehen, fiese Nachbarn gibt es auch in Brüssel.
Das Stadion selbst ist ein in die Jahre gekommenes Bauwerk, das allerdings reichlich Charme versprüht. Obwohl der Komfort des Stadions mehr als überschaubar ist, so überzeugt es doch in anderen Belangen. Die Art Deco-Tribüne dürfte ein sicherlich absolutes Alleinstellungsmerkmal besitzen. Kein Vergleich zu den öden Einheitsstadien der Moderne. Das hat einfach Stil. Richtig gut ist der VIP-Bereich. Die Fenster im Art Deco-Stil mit dem Logo von Royale Union. Was für eine Optik! Ein absolutes Schmankerl.

Stade Joseph Marien, St. Gilloise

Container hinter dem rechten Tor, Stade Joseph Marien, St. Gilloise (2011)

Beim Besuch des Chronisten gab es hinter den Toren keine Tribünen. Rechts von der Tribüne stand ein Containerbau, auf der anderen Seite Toilettenhäuschen, allerdings auch eine uralte Anzeigentafel, die an die guten alten Tage erinnerte. Inzwischen stehen hinter den Toren auch wieder Zuschauerränge. Schließlich ist Royale Union wieder Erstligist.
Dass dieses Stadion keinesfalls die Kriterien der UEFA erfüllt, dürfte nicht verwundern. Das macht aber nichts. Wie gesagt, das Stadion sticht aus dem Einheitsbrei moderner Stadien heraus und das ist gut so. Das Stade Joseph Marien, eine Reminiszenz an die guten alten Fußballtage.

Stade Joseph Marien, St. Gilloise

Toilettenhäuschen und eine alte Anzeigentafel hinter dem linken Tor, Stade Joseph Marien, St. Gilloise