Bernd-M. Beyer: »Das »schöne Spiel« war sein Ideal«

Helmut Schön ist der erfolgreichste Bundestrainer! Weltmeister, Vize-Weltmeister, Europameister, Vize-Europameister und dennoch ist er in der deutschen Fußballgeschichte wenig präsent. Das ist erstaunlich. In seinem Buch »Helmut Schön Eine Biografie« hat sich Bernd-M. Beyer auf die Spuren des ehemaligen Bundestrainers begeben. Um es gleich vorweg zu nehmen: Bernd-M. Beyer ist es gelungen, einen wahren Schatz zu heben und hat ein hervorragendes Buch vorgelegt. Wir haben mit dem Autor über sein Meisterwerk geredet.

Helmut Schöns Leben – unglaublich spannend zu recherchieren

Bernd-M. Beyer - Helmut Schön, Verlag die Werkstatt

Bernd Beyer. der Autor und sein Werk

Kabine: Wie ist die Idee zu diesem Buch entstanden? Gab es einen konkreten Anlass oder ist Ihre persönliche Einstellung zu Helmut Schön die Ursache, sich diesem Projekt zu widmen?

Bernd-M. Beyer: Zunächst habe ich mich gefragt: Wie kann es sein, dass Helmut Schön in der deutschen Fußballgeschichte so wenig präsent ist. Er ist immerhin der erfolgreichste Bundestrainer mit einem oft wunderbar gespielten Fußball. Ich habe dann seine Autobiografie gelesen, die zwar vieles auslässt, aber doch einen guten Eindruck seines Lebens gibt. Da wurde mir klar, dass seine Karrierestationen ein interessantes Stück deutscher Geschichte vermitteln: prominenter Nationalspieler in der NS-Zeit, Auswahltrainer in der jungen DDR und im damals noch unabhängigen Saarland, schließlich Bundestrainer in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche in der Bundesrepublik. Das war unglaublich spannnend zu recherchieren.

Kabine: Wie lange haben Sie – alles in allem – an diesem Buch gearbeitet?

Bernd-M. Beyer: Ungefähr zwei Jahre, mit Unterbrechungen, aber auch mit Vorarbeiten schon lange vorher.

»Das »schöne Spiel« war sein Ideal«

Kabine: Wie stehen Sie selbst zum Bundestrainer und Menschen Helmut Schön? Sind wir ehrlich, im Vergleich zum aktuellen Bundestrainer, war Helmut Schön doch ein ein angenehmer und bodenständiger Mensch, obwohl ihm ebenfalls einige führungsschwache Momente angekreidet wurden (Ich denke da vor allem an die »Preisverhandlungen« bei der WM 74)?

Bernd-M. Beyer: »Bodenständig« würde ich ihn nicht nennen. Helmut Schön war ein Mensch, der nicht so recht zum Bild des Fußballs als »Männersport« passen wollte. Einen Spruch wie »Wir brauchen Eier« hätte man von ihm nicht gehört (und von Löw auch nicht …). Schön war ein sensibler Schöngeist, liebte Theater und Oper und achtete auch im Fußball auf die ästhetische Komponente. Das »schöne Spiel« war sein Ideal. Gerade deshalb begegneten ihm die »alten Haudegen« im Fußball mit Misstrauen, übrigens auch viele Journalisten.

Herberger hielt Schön schon als Spieler für »zu weich«

Bernd Beyer, Preisverleigung Deutsche Akademie für Fußballkultur

Helmut Schön: Fußballbuch des Jahres 2017. Autor Bernd-M. Beyer nimmt den Preis entgegen. Katrin Müller-Hohenstein (Mitte) und Alexander Boldyreff (r.). Auf der Leinwand: Helmut Schön als aktiver Spieler

Kabine: Es war interessant zu lesen, dass Helmut Schön und Sepp Herberger immer wieder massive Probleme miteinander hatten. Diese Halsstarrigkeit, dem Nachfolger eine auszuwischen, hätte man dem »alten Bundessepp« eigentlich gar nicht so zugetraut. Hat Sie das Verhältnis der beiden überrascht?

Bernd-M. Beyer: Ein bisschen war von den Konflikten schon in Jürgen Leinemanns großartiger Herberger-Biografie zu lesen. Auch Herberger gehörte zu denjenigen, denen Schöns Intellektualität und Sensibilität verdächtig war. Er hielt ihn schon als Spieler für »zu weich«, weshalb er ihn trotz dessen Torgefährlichkeit aus der Nationalelf aussortierte. Dieses Vorurteil übertrug er auf den Trainer Schön, dessen fachliche Kompetenz Herberger zwar schätzte. Aber er befürchtete, dass Schön zu wenig Härte für diesen Job mitbrachte. Und er hat ihm nie verziehen, dass Schön öffentlich verkündet hat, Herberger habe ihm einen Torso als Nationalelf hinterlassen. Womit Schön übrigens unbedingt Recht hatte.

Kabine: In Ihrem Buch war genauso interessant zu lesen, dass zwei – eigentlich hochgeschätzte Persönlichkeiten ( Udo Lattek und Dettmar Cramer) – im DFB- Intrigantenstadl in der ersten Reihe mitwirkten. Müssen wir unser Verhältnis zu diesen beiden neu überdenken oder ist ein solches Verhalten einfach nur menschlich?

Bernd-M. Beyer: Über Lattek und Cramer kann ich mir kein Urteil erlauben. Gegenüber Schön hat sich vor allem Cramer sicherlich sehr unfair und wenig »gentleman-like« verhalten, in einer Art, die auch in der Fußballbranche nicht üblich sein sollte. Er wollte unbedingt dessen Job und hat dafür viele üble Register gezogen. Ich schreibe dies seinem übergroßen Ehrgeiz zu und seiner Selbstgewissheit, der bessere Trainer zu sein. Inwieweit diese Eigenschaft ihn insgesamt geprägt hat, vermag ich nicht zu sagen.

Presse-Echo: Spannender Stoff – lange unentdeckt

Bernd Beyer, Preisverleigung Deutsche Akademie für Fußballkultur

Bernd-M. Beyer nimmt aus der Hand von Alexander Boldyreff (Vorstandsvorsitzender von Preissponsor TeamBank/easyCredit) seinen Preis entgegen, Mitte: Katrin Müller-Hohenstein

Kabine: Wie war die Reaktion auf Ihr Buch? Immerhin wurde es als Fußballbuch des Jahres 2017 geehrt. Was bedeutet diese Ehrung für Sie als Autor?

Bernd-M. Beyer: Natürlich habe ich mich sehr über diese Ehrung gefreut, denn sie ist mittlerweile in der kulturell interessierten Fußballszene hoch angesehen. Von den Reaktionen fand ich die Rezension von Ludger Schulze am treffendsten, dem langjährigen Sportchef der Süddeutschen Zeitung. Er schrieb: »Am Ende des Buches fragt man sich, wie ein derart spannender Stoff so lange unentdeckt bleiben konnte.« Andererseits muss man auch sagen: Das gewisse Schattendasein, das Schön bisher führte, ist dadurch nicht aufgehoben. Anders als beispielsweise bei meiner Biografie über Walther Bensemann gab es kaum eine Anfrage nach einer Lesung oder Veranstaltung über Helmut Schön. Den Glamour-Faktor habe ich ihm also auch nicht verleihen können. Immerhin, und das hat mich sehr gefreut, ist er kürzlich in die Hall of Fame des deutschen Fußballs aufgenommen worden, als zweiter Trainer nach Herberger.

Kabine: Vor Jahren haben Sie eine hervorragende Bensemann-Biographie vorgelegt, jetzt mit der Helmut Schön-Bio erfolgreich nachgelegt. Haben Sie ein neues Projekt vor der Brust? Worauf darf sich der interessierte Leser in der nächsten Zeit freuen?

Bernd-M. Beyer: Also, zwischen der Bensemann-Biographie und dem Schön-Buch lagen immerhin 14 Jahre. Daran sieht man: Es braucht bei mir seine Zeit. Ich bin ja von Hause aus kein Autor, sondern Lektor. So große Stoffe gehe ich nur an, wenn es mich wirklich gepackt hat. In dieser Hinsicht bin ich momentan noch auf der Suche. Aber der Ruhestand lässt mir inzwischen Zeit genug, auch kleinere Sachen zu schreiben, Artikel oder schmalere Büchlein. Wobei mich Bensemann nicht loslässt, zu diesem hochinteressanten Herrn sammele ich immer noch Informationen und Material.

Danksagung

Foto Credits: Fotos Preisverleihung © Stadt Nürnberg/Jan Rygl
Die Fotos der Preisverleihung an Bernd-M. Beyer wurden uns von der Stadt Nürnberg/Akademie für Fußballkultur zur Verfügung gestellt. Dafür vielen Dank!
Das Foto Bernd-M. Beyer mit dem Buchcover stammt vom Autor selbst. Vielen Dank.

Besonderen Dank schulden wir Birgitt Glöckl (Stadt Nürnberg/Akademie für Fußballkultur) und Achim Woydowski vom Verlag Die Werkstatt für die Unterstützung bei der Suche nach Bildmaterial für diese Geschichte. Auch dafür vielen Dank!