Ulrich Matheja: Man soll nie nie sagen …

Commerzbank Arena, Frankfurt

An der Arena weht der Eintracht-Adler

Donnerstag, der 12. März 2020: Der Tag des Europa League Hinspiels Eintracht Frankfurt vs. FC Basel. Am Nachmittag erhielten wir eine Mail von Ulrich Matheja bezüglich des Interviews, das wir gerade mit ihm machen. Diese Mail stimmte uns sehr nachdenklich. Wir zitieren: »Chaos im Fußball. Normalerweise werden gerade die Stadiontore in Frankfurt geöffnet. Aber diesmal müssen wir draußen bleiben. Ich finde, UEFA, DFB und DFL sollten jetzt handeln und erstmal alle Spiele bis Anfang April aussetzen. Die Schweiz macht’s, Österreich und Italien auch. Und Spanien hat heute nachgezogen. Dann findet die EM halt erst 2021 statt. Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Und Fußball findet nicht in einer Blase, sondern mitten unter uns statt.«
Dem ist nichts hinzuzufügen.

Doch. Für Ulrich Matheja war es ein trauriger Tag. Noch am Mittwoch-Vormittag hieß es, das Spiel gegen Basel könne vor Zuschauern ausgetragen werden. Nun wurde das Spiel doch zu einem Geisterspiel. Und noch schlimmer, für den Eintracht-Chronisten wurde es ein ganz finsterer Abend. Die Eintracht verlor sang- und klanglos mit 0:3. Im Fußball gibt es eben auch solche Tage …

Ulrich Matheja hat drei exzellente Bücher zum Thema »Eintracht Frankfurt« vorgelegt und darf als absoluter Eintracht-Experte gelten. Wir hatten einige Fragen an ihn …

Kabine:  Hallo Herr Matheja, danke, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Haben Sie eigentlich auch selbst Fußball gespielt? Wenn ja, bei der Eintracht oder in welchem(n) Verein(en)?
Welche Position, welche Ligen?

Von Torwart bis Linksaußen habe ich eigentlich alles gespielt

UM: Ja, aber nicht im Verein. Nach der Schule haben wir immer auf einer Wiese in Frankfurt gespielt, später dann in der Fanclub-Mannschaft und einige Male auch noch in der »kicker«-Betriebsmannschaft. Mit dem Fanclub waren wir oft unterwegs zu Turnieren, z. B. Leonberg bei Stuttgart, Paris und Zürich. Von Torwart bis Linksaußen habe ich eigentlich alles gespielt.

Vom Adler Virus infiziert

Ulrich Matheja, Eintracht Frankfurt, Chronik, Copyright Matheja privat

Ulrich Matheja, vom Eintracht-Virus infiziert …

Kabine: Was war der Auslöser, dass Sie Fan der Eintracht geworden sind? Können Sie sich noch an Ihr erstes Spiel bei der Eintracht erinnern?

UM: Mein Cousin nahm mich am 05.02.1966 zum Spiel Eintracht – Hannover 96 0:1 mit. Lechner konnte einen Elfer nicht verwandeln. Und ich war sofort vom Fahnenmeer im »Eintracht-Eck« begeistert. Trotz Niederlage war ich vom Adler-Virus infiziert.

Kabine: Wie ist die Idee zur Chronik entstanden? Gab es einen bestimmten Anlass?

UM: Nein, eigentlich nicht. Es waren ja schon drei Auflagen des »Schlappekicker« erschienen. Aber ich wollte irgendwie, irgendwo, irgendwann etwas machen, wo auch alle Aufstellungen und Tabellen dabei waren. Der Verlag hatte vorher etwas Ähnliches über den VfB Stuttgart und den 1. FC Köln gemacht. Und da ich das Material hatte, haben wir es auch mit der Eintracht gemacht.

Kabine:  Wie lange haben Sie daran gearbeitet?

UM: Im Prinzip seit 1987 bis heute. Nach dem 2. Staatsexamen war ich drei Monate arbeitslos und bin dann täglich ins Institut für Stadtgeschichte nach Frankfurt gefahren und habe die alten Zeitungen nach Fußball-Meldungen durchgesucht. Damals konnte man noch in den alten Zeitungen blättern.

Kabine: Wie war die Resonanz auf das Buch?

UM: Schon der »Schlappekicker« schlug gut ein und galt bald als »Bibel« der Eintracht.

Man soll nie nie sagen …

Museum Eintracht Frankfurt

Ein Besuch, der sich auf jeden Fall lohnt

Kabine:  Das Buch ist jetzt beim Verlag leider nicht mehr lieferbar, stattdessen soll Ihr Buch »Schlappekicker und Himmelsstürmer« aktualisiert werden. Macht Sie das traurig? Gab es keine Möglichkeit, die Chronik weiter zu führen? Wann wird der aktualisierte »Schlappekicker« erscheinen?

UM: Nein, traurig nicht. Ich führe ja alles weiter. Aber momentan ist das für mich auch kein Thema, denn der fünfte »Schlappekicker« steht vor der Tür. Er soll wohl im Spätsommer erscheinen. Und wegen der Chronik: Man soll nie nie sagen . . .

Kabine:  Planen Sie noch weitere Buchprojekte zum Thema »Eintracht Frankfurt«?

UM: Momentan bin ich mit dem »Schlappekicker« voll ausgelastet. Der kam ja praktisch auch wie Ziethen aus dem Busch. Aber wenn ich 2021 in Rente gehe, habe ich ja viel Zeit . . .

Wenn die Eintracht die Klasse hält, ist alles möglich

Kabine:  Als Fan von Eintracht Frankfurt ist das Leben eigentlich nie langweilig. Immer auf und ab. Sehen Sie die Eintracht seit Kovac auf einem guten Weg?

UM: Eigentlich ja, wobei mich die laufende Saison etwas an 1979/80 erinnert. Da wurde die Eintracht UEFA-Pokalsieger, legte aber eine schlechte Rückrunde hin und war am Ende als Neunter nur drei Punkte vor einem Abstiegsplatz. Ich hoffe, dass das dieses Jahr nicht so wird. Pokal und Europa League sind toll, aber die Bundesliga ist das Wichtigste. Jetzt muss man abwarten, wie das mit Corona und den Geisterspielen weitergeht.

Kabine: Kann das, was derzeit in Frankfurt passiert bzw. passiert ist, die Basis für einen länger währenden Höhenflug sein?

Es könnte. Aber nur, wenn die Eintracht in der Liga bleibt. Der Verlust der Büffelherde wiegt schwer. Aber manchmal dauert es halt, sich neu aufzustellen. Wenn die Klasse gehalten wird, ist alles möglich.

»Krönung«, »nackter Wahnsinn« und »mein erster Sieg« …

Kabine: Bitte um Ihre Top 3-Spiele der Eintracht?

UM: Ganz schwere Frage. Der Pokalsieg 2018 war natürlich die Krönung. Aufstieg 2003 der nackte Wahnsinn. Und natürlich »mein« erster Sieg. 4:2 gegen Schalke am 22.10.1966. Drei Tore von Sigi Bronnert! Aber das ist eine willkürliche Auswahl. Es gab ja auch ein 6:0 gegen die Bayern, vier weitere Pokalsiege, den UEFA-Pokal-Sieg 1980 – und, und, und . . .

Kabine: Wer sind Ihre Top 5-Spieler der Eintracht?

UM: Als Kind war Wolfgang Solz mein Held. Grabi und Holz (Anm. der Red.: Bernd Hölzenbein) natürlich. Bruno Pezzey. Alex Meier war phänomenal. Aber wenn ich die Frage morgen wieder beantworten müsste, kämen vielleicht noch andere Namen ins Spiel.

Lesetipps:
Ulrich Matheja – Schlappekicker & Himmelsstürmer
Ulrich Matheja – Unsere Eintracht – Eintracht Frankfurt Die Chronik
Ulrich Matheja – Eintracht Frankfurt – Die Erfolgschronik seit 2011

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