Es war einmal ein Stadion …

»Es war einmal ein Stadion« erzählt interessante, spannende und mitunter auch deprimierende Geschichten über Stadien. Das sind Geschichten aus teils sehr lange vergangenen Tagen. Wie zum Beispiel jene über den Sportpark Friedenau in Berlin. Schon im März 1905 fiel der Vorhang für diese Sportanlage. Ein Immobilienunternehmer wollte auf dem Sortgelände bauen.

Müllkippe und Filmkulisse

In die Abteilung »deprimierend« fällt die Geschichte des Poststadions in Bonn. Die Fotos, die Autor Werner Skrentny zusammengetragen hat, lassen den Leser erschaudern. Die Bildunterschrift »Die größte Müllkippe Bonns« unterstreicht, was wir auf dem Foto sehen. Ohne Worte! Und dann noch die Krönung: Die Regisseurin Sherry Hormann suchte 2004 ein vergammeltes Stadion als Kulisse für ihren Film. Im »ehemaligen« Poststadion Bonn wurde sie schließlich fündig.

Altersheim statt Fußball

Ein anderes Kapitel ist die Geschichte des Stadions an der Telegraphenkaserne in Karlsruhe, das ehemalige KFV-Stadion. Immerhin die Stätte des ersten deutschen Länderspielsieges. Etikett: Eigentlich erhaltenswert. Die Stadt Karlsruhe kannte kein Erbarmen und zeigte dem einstigen Vorzeigeclub die ganz kalte Schulter. Business war wichtiger als das Kulturdenkmal. Inzwischen steht da ein Altersheim.

»Plumpe« und »Zabo«

Noch ein Beispiel gefällig? »Die Plumpe« im Berliner Wedding, einst Heimat von Hertha BSC. Der Verein war Ende der 70er mal wieder derart klamm, dass er das Areal verkaufen musste. Heute stehen seelenlose Wohnungsbauten dort, wo einst Hanne Sobek, Berlins bester Fußballer seiner Zeit, brillierte.
Ortswechsel: Nürnberg-Zerzabelshof. Ein ähnliches Schicksal wie die »Plumpe« im Berliner Wedding, erlitt der traditionsreiche Nürnberger »Zabo«, Heimstätte der großen Mannschaft des 1. FC Nürnberg, Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Wo in den Zwanzigern die Club-Legenden Heiner Stuhlfauth und Dr. Hans Kalb Titel sammelten, steht jetzt eine Wohnsiedlung.

Und wenn sie nicht verschwunden sind …

… dann wurden sie abgerissen und an selber Stelle neu gebaut oder teilweise bei laufendem Betrieb renoviert oder ausgebaut. Dies ist ein Kapitel, das weit gefasst ist. Meist sieht man den umgebauten Arenen ihre Vergangenheit nicht mehr an (Ausnahme vielleicht das Berliner Olympiastadion). Für diese Stadion-Kategorie stehen beispielsweise das Berliner Olympiastadion, das ehemalige Westfalenstadion, inzwischen Signal-Iduna Arena, oder das ehemalige städtische Stadion in Stuttgart, jetzt Mercedes-Benz-Arena.
Richtig getroffen hat es das ehemalige Düsseldorfer Rheinstadion, das durch den Umbau wirklich alles verloren hat. So, wie das Stadion jetzt von aussen aussieht, könnte es auch ein Flugzeughangar, ein Parkhaus oder ein Mode-Outlet sein. Schlimmer geht es eigentlich wirklich nimmer. Diese Kategorie betrifft aber nicht nur die ganz großen Arenen. Es geht auch eine Nummer kleiner, wie die Beispiele in Erfurt oder Magdeburg beweisen.

Schmankerl Holztribünen

Das letzte Kapitel des Buches ist der guten alten Holztribüne gewidmet. Was wir da sehen, katapultiert uns in eine absolut andere Zeit zurück. Sicherlich gibt es da keine überkandidelten VIP-Logen, wie sie heute in den Stadien üblich sind. Muss es auch nicht. Die Bau- und die Holzhandwerkskunst jener Tage setzt ganz andere Maßstäbe als ein Buffet und ein paar Freidrinks. Wahnsinn: Die älteste deutsche Sporttribüne auf dem Boxberg in Gotha.

Kurzum: Das Buch ist klasse. Nicht umsonst landete Autor Werner Skrentny 2016 auf Platz zwei im von der Deutschen Akademie für Fußballkultur ausgeschriebenen Wettbewerb »Fußballbuch des Jahres«. Diese Auszeichnung sollte eigentlich Empfehlung genug sein. Und auch für den Fall dass einer nölt, von wegen schon wieder dieser Fußball und so. Auch dafür gibt es eine Lösung. Koppeln wir den Verwendungszweck »Sport oder Fußball« einfach mal kurz ab, dann reden wir plötzlich über historische Bauwerke und Architektur. Geht doch, oder?

 

Lesetipps: Vom gleichen Autor und ebenfalls sehr zu empfehlen

Das große Buch der deutschen Fußballstadien
Orte der Leidenschaft – der HSV und seine Stadien – wohl nur noch antiquarisch erhältlich

 

Werner Skrentny, Verschwundene Stadien, Verlag Die WerkstattWerner Skrentny

Es war einmal ein Stadion
Verschwundene Kultstätten des Fußballs

176 Seiten 21,0 x 29,7 cm Hardcover Fotos
ISBN: 978-3-7307-0192-8

2. Auflage 2016

24,90 €