König Otto und sein Brunnen

Diese Geschichte trug sich im Januar 2018 zu. Wir waren – ohne jegliche fußballerische Ambitionen – in der Pfalz unterwegs. Von Pirmasens aus machten wir uns auf den Weg in Richtung Kaiserslautern. Schließlich suchten wir ein Restaurant. Ein Einheimischer empfahl uns, nach Hohenecken zu fahren, denn dort gäbe es bekanntlich die Burgschänke und dort sei das Essen wirklich gut. Da Einheimische in der Regel wissen, wovon sie reden, konnte es für uns nur eines geben:. Auf nach Hohenecken.

Zur Geographie: Hohenecken, bis Ende der 60er Jahre ein eigenständiger Ort, ist heute ein Ortsteil von Kaiserslautern. Eine schöne Burgruine haben sie dort auch. Direkt über der Burgschänke. Aber Ruinen sind ja hier nicht unser Thema.

Otto Rehhagel-Brunnen KL-Hohenecken

Ein Denkmal für Otto I. – der Otto-Rehhagel Brunnen in Hohenecken, Pfalz

Als wir ausstiegen trauten wir unseren Augen nicht. Direkt an der Treppe zu Hotel und Restaurant ein Brunnen. Aus dem steinernen Munde eines Löwens plätscherte Wasser in das Steinbecken. Die goldene Metallplatte war jedoch der absolute Hammer: Eine Pfälzer-Ode auf Otto Rehhagel. Bundesliga-Aufstieg mit dem 1. FCK und gleich im Aufstiegsjahr Deutscher Meister. Das hatte noch keiner geschafft. Nicht einmal die erfolgsgewohnten Bayern aus München, denen doch sonst immer alles gelang. Und das war noch nicht alles.
Dazu noch der EM-Titel mit Griechenland. Das ist aller Ehren wert. Drehen wir den Scheinwerfer zurück. Das Jahr 1996: Für den 1. FC Kaiserslautern ein ganz bitteres. Die Pfälzer steigen erstmals aus der Bundesliga ab. Da tröstet es auch nicht sonderlich, dass das Team   nach einem Sieg über den Karlsruher SC Pokalsieger wird.. Die ganze Pfalz litt mit dem 1. FCK. Dann kam König Otto, übernahm das Zepter und führte die Pfälzer unverzüglich in die Bundesliga zurück. So weit noch alles im Rahmen.

Otto macht’s möglich: Als Aufsteiger Deutscher Meister

Am ersten Spieltag der Bundesligasaison 1997/98 gastierte Aufsteiger Kaiserslautern im Münchener Olympiastadion. Wahrscheinlich hielt Meister Bayern den Aufsteiger aus der Pfalz für sehr angenehme Laufkundschaft, was sich aber bitterlich rächen sollte. Die Pfälzer siegten mit 1:0, nahmen drei Punkte mit und sollten die Spielzeit als Deutscher Meister abschließen. Bisher nie dagewesen und seither nie wieder erreicht. Echt Klasse. Nun, fairerweise muss man dazusagen, dass sich die Bayern in der Saison 1998/99 bitter rächen sollten. Im Viertelfinale der Champions League führten sie die Pfälzer nach allen Regeln der Kunst vor und warfen sie aus dem Wettbewerb.

Otto Rehhagel: »Modern spielt, wer gewinnt«

Burgschänke, KL-Hohenecken

Die Burgschänke Hohenecken mit dem Otto Rehhagel-Brunnen

Auch die Europameisterschaft 2004 war eine geniale Veranstaltung. Ähnlich, wie im Juni 2018 bei der WM in Russland, durften die deutschen Rumpelkicker (damals unter Trainer Rudi Völler) nach der Gruppenphase nach Hause fahren. Übermächtigen Gegnern wie Lettland und der tschechischen B-Elf konnten sie sich wenig erfolgreich entgegenstemmen. Am Ende setzten sich bei diesem Turnier die Griechen durch. Die hatte wirklich absolut keiner auf der Rechnung.
Doch den Titel holten sie nicht ungestraft. Den Hellenen warf man, allen sportlichen Erfolgen zum Trotz, vor, Steinzeit-Fußball zu spielen. Otto I. von Griechenland konterte alle Vorwürfe: »Modern spielt, wer gewinnt.« Noch Fragen?

Nun sassen wir also in der Burgschänke zu Hohenecken und liessen es uns schmecken. Nach dem Essen kam der Kellner an den Tisch und fragte nach unserem Befinden. Es war gut. Allerdings, wir – beide keine sonderlichen Freunde der Roten Teufel – konnten uns einen Seitenhieb auf den Brunnen vor dem Tore nicht verkneifen.

»Gibt es hier einen Otto-Rehhagel-Fan oder was hat es mit dem Brunnen auf sich?«
»Den habe ich installiert«, so seine Antwort.
»Wieso denn das?«
»Ich bin FCK-Fan und mir blutet das Herz, wenn ich sehe, was jetzt da abgeht.«

Ein echter Fan leidet

Normalerweise hätten wir ihn jetzt mit seinem Lieblingsclub aufgezogen. Aber der Mann litt wirklich unter den Zuständen, die (nicht erst seit diesem Winter) in Kaiserslautern herrschen. Das Ergebnis jahrelanger Misswirtschaft in der Pfalz. Wir hatten ihn – nette südländische Erscheinung – zum Italiener gemacht. Er kam aber – Irrtum vorbehalten, die Zeit hat es ehrlich gesagt verwässert – aus Mazedonien. Er war schon ewig und dreí Tage hier in der Pfalz. In dieser Zeit war der 1. FC Kaiserslautern Teil seines Lebens geworden. Er hatte die erfolgreichen Zeiten von König Otto noch miterlebt und musste nun seit Jahren mit ansehen, wie der Club in den Abgrund gewirtschaftet wurde (inzwischen Abstieg in die 3. Liga, Fritz und Ottmar Walter würden sich wohl im Grabe umdrehen, wüssten sie, was aus ihrem FCK geworden ist). Unser Kellner war wirklich ein bedauernswerter Kerl. Ein 150%iger Fan, der von seinem Club bitter enttäuscht wird. Er gab ihnen alles, sie gaben ihm nichts oder so etwas in der Art.
Im weiteren Gespräch beklagte er immer wieder, dass Abstieg und Niedergang des einst ruhmreichen 1. FC Kaiserslautern ein großer Schaden für die Region wären. Nun, die Zukunft wird es zeigen, wie der Club mit der Misere umgeht und wie (und ob) er da wieder herauskommt. Eines steht auf jeden Fall fest: Dafür, dass unser Kellner König Otto einen Brunnen spendiert hatte, sollte ihm eigentlich selbst ein kleines Denkmal gesetzt werden. Das muss doch wahre Liebe sein.

 

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