Fußballheimat Brandenburg

Fußballheimat Brandenburg, 100 Orte der Erinnerung – und in der Tat, da ploppen gleich etliche Erinnerungen auf. Erinnerungen an Stadien, Spiele und Tore. Doch dazu gleich mehr. Auch wenn Brandenburg derzeit fußballerisch nur bis in die Regionalliga vertreten ist, so gibt es doch eine Menge zu entdecken. Marco Bertrams Buch ist quasi ein Reiseführer abseits der großen Fußballrouten. Und dennoch oder vielleicht auch gerade deswegen wird der Fußballreisende eine Menge Spaß haben. Einige Beispiele gefällig?

Fußball-Träume in der Fontanestadt

Fontanestadt Neuruppin: Es gab mal eine Zeit, da wurde in Neuruppin ein wunderbarer Fußball gespielt. Es machte Spaß zum MSV zu gehen und den Jungs zuzusehen. Höhepunkte waren ohne Zweifel die Aufstiegsspiele gegen den FC Carl Zeiss Jena und das DFB-Pokalspiel gegen Bayern München. Die enthusiastischen Jenenser Fans machten das Volksparkstadion zum Hexenkessel und mit dem FCC stieg am Ende auch die bessere Elf in die Regionalliga auf. Im DFB-Pokal machten die Brandenburger gegen die Bayern ebenfalls eine gute Figur. Ein gutes halbes Jahr später sollte alles zerfallen. »Kreatives Finanzgebaren« führte den Verein auf den Weg nach unten. Zugegeben, wer sich näher mit dem MSV beschäftigt hatte, hatte sich auch immer gefragt, wo das ganze Geld herkam. Am Ende musste Neuruppin bis in die Landesliga. In der Fontanestadt gab es fortan keinen Traumfußball mehr. Heute ist der Club in der Brandenburgliga unterwegs und spielt oben mit. Reiseziel Neuruppin? Jederzeit gerne.

Waldorf und Statler in Brandenburg

Seelenbinder-Sportplatz, Brandenburg an der Havel

Werner-Seelenbinder-Sportplatz, Archivbild

Brandenburg an der Havel: An einem sehr kalten Märzsamstag hieß das Reiseziel Werner-Seelenbinder-Sportplatz, Brandenburg. Dort wartete der Brandenburger SC Süd 05 auf seine Gäste. Der Platz hat Spaß gemacht. Ein enges Geläuf und ein paar streitsüchtige Rentner.
In Waldorf-und-Statler-Manier kommentierten sie das Geschehen auf dem Platz. Mit der Zeit stellte sich allerdings heraus, dass sie ihr Herz durchaus am rechten Fleck hatten. Schöner, wenn auch ein sehr kalter Nachmittag. Der BSC Süd 05 spielt heute in der Oberliga Nordost/Nord. Eine Reise dahin könnte sich also durchaus lohnen.

Eberswalde: Mit Recht beklagt der Autor, dass es den FV Motor Eberswalde in dieser Form nicht mehr gibt. Heute heißt der Verein Preussen Eberswalde und spielt in der Brandenburgliga. Damals waren die Eberswalder eine echte Wundertüte. Mal rumpelten sie durch die Oberliga, mal stellten sie einem hohen Favoriten lässig ein Bein. Völlig unberechenbar. Dazu hatten sie eine Handvoll treuer Fans, die auch immer die entsprechenden Utensilien wie Zaunfahnen, etc. zum Spiel mitbrachten. Vorbildlich.

 

 

Motor Eberswalde Westend Boys

Die Westend Boys, vorbildliche Fans, Archivbild

 

Fußball hinterm Stahlwerk

Stadion der Hüttenwerker, Eisenhüttenstadt

Stadion Eisenhüttenstadt – eine echte Perle, Archivbild

Eisenhüttenstadt: Es war ein sehr kalter Sonntagnachmittag, Ende Februar, als der Chronist das Stadion der Hüttenwerker in Eisenhüttenstadt betrat. Was er zu sehen bekam, war eine sehr interessante Sportanlage aus einer anderen Zeit. Und ein 0:0 der schlechteren Sorte. Immerhin hatten sich auf der Gegengerade auch ein paar ganz eiserne EFC-Fans eingefunden, die ihren Club siegen sehen wollten. Doch auch der Fan-Support half nicht. Das 0:0 wurde dadurch nicht besser.

Eine Reise nach Eisenhüttenstadt lohnt sich auch heute noch. Das Stadion versprüht einen ganz eigenen Charme. Mit dem EFC Stahl ging es nach dem ersten Besuch des Chronisten relativ schnell bergab. Im Spätsommer 2004 verabschiedete sich der Club aus der Oberliga Nordost/Nord. 2016 wurde Stahl aufgelöst. Der FC Eisenhüttenstadt, eine Vereinigung von vier Clubs aus der Stadt, wurde gegründet. Derzeit spielt der FCE in der Brandenburgliga. Aktuell Tabellenletzter, aber da durch die Covid-19-Pandemie die Abstiegsregelung ausgesetzt wurde, hat der Club die Liga gehalten. Hoffen wir für den FCE auf eine bessere Zukunft.

Rathenow: Und zum guten Schluss wollen wir hier noch jemanden ehren, der sich beim FSV einen Namen gemacht hat. Ingo Kahlisch, seit 1989 für den FSV Optik Rathenow tätig, hat in Rathenow vieles bewegt. Der Club spielt derzeit in der Regionalliga Nordost. Was Ingo Kahlisch, einst Spieler bei Union, KWO und Babelsberg, auszeichnet, ist seine stringente Linie, kein Geld auszugeben, das er nicht hat. In Rathenow wird quasi unter Amateurbedingungen Regionalliga gespielt. Und wenn es zum Klassenerhalt mal nicht reicht, dann geht es eben eine Liga runter und dann wieder nach oben. Keine finanziellen Experimente, stattdessen eine gesunde Einstellung gegenüber den Dingen des täglichen Lebens. Das ist gut so. In Rathenow sollten sie beginnen, ihrem »ewigen Ingo« ein Denkmal zu schnitzen: Ein Mann, ein Ball, eine Vision. Verdient hat er es sicherlich schon längst.

KarLi und Filmstadt Inferno

Filmstadt Inferno SV Babelsberg 03

Filmstadt Inferno, Babelsberg, Archivbild

Marco Bertram hat sein Buch in eine Info- und eine Bilderseite gegliedert. So kann sich der Leser einen ersten Eindruck verschaffen. Dabei beschränkt sich der Autor nicht nur auf das reine Präsentieren von Fußballclubs. Wir finden da auch schon mal eine Fangruppierung (Filmstadt Inferno, Babelsberg) oder eine Kult-Fan-Kneipe (Königs Fritze, Frankfurt/Oder). Wunderbar das Foto auf der Lok Frankfurt-Seite: Ein gutes, altes Lokomotive-Logo.
Eine Anmerkung sei an dieser Stelle noch gestattet: Wo ist das schönste Stadion der Stadt? In Bezug auf Potsdam neigt der Autor zum Stadion Luftschiffhafen. Die Tribüne sieht toll aus, das Stadion verfügt aber über eine Tartanbahn. Eigentlich ein Ausschlusskriterium für ein echtes Fußballstadion. Insofern plädieren wir an dieser Stelle für das KarLi in Babelsberg.

Fassen wir zusammen: Unabhängig davon, dass die Lektüre für den Chronisten mit etlichen persönlichen Erinnerungen verbunden war, empfiehlt sich Marco Bertrams Buch für den Fußballfreund, der abseits von Bundesliga und 2. Liga, auf den Basis-Pfaden dieses Sports unterwegs ist. In Brandenburg gibt es fußballerisch auf jeden Fall sehr viel zu entdecken. Das Buch – im Arete Verlag erschienen – gibt einen Leitfaden, an dem man sich orientieren kann. Es stimuliert oder animiert, sich auf die Spuren interessanter Clubs und sehenswerter Plätze zu begeben. Was will man mehr?
Das Buch verbindet einstigen DDR-Oberliga-Glanz – Stahl Eisenhüttenstadt, Stahl Brandenburg, Energie Cottbus, Victoria Frankfurt/Oder – mit der harten Realität, in welcher sich die Clubs inzwischen wiedergefunden haben.

 

 

Marco Bertram Fußballheimat Brandenburg Arete VerlagMarco Bertram

Fußballheimat Brandenburg
100 Orte der Erinnerung

Arete Verlag

216 Seiten, Paperback
100 farbige Fotos

ISBN 978-3-96423-032-4

18,00 €

 

 

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