Mit Bensemann fängt mal wieder alles an. Auch bei Eintracht Frankfurt hat der Fußball-Pionier seine Hände im Spiel. In Kapitel 1 wird er daher auch entsprechend gleich als erste Eintracht-Legende gewürdigt. Und bevor wir weiter in die Chronik einsteigen, kommen wir zunächst zum Aufbau des Buches. Autor Ulrich Matheja arbeitet sein Thema nach Spielzeiten ab. Neben einem Abriss über das jeweilige Jahr (Statistik inklusive), präsentiert er seinen Lesern auch noch die Rubriken »Legenden«, »Einwurf« und »Kurz Notiert«. Klar, »Legenden« behandelt Personen, die viel für die Eintracht geleistet haben. Die Palette reicht von Walther Bensemann über die Nationalspieler Alfred Pfaff (1954 Weltmeister mit einem Einsatz), Richard Kreß, Egon Loy (Torhüter der Meistermannschaft von 1959), Dr. Peter Kunter, der fliegende Zahnarzt, Jürgen Grabowski (Europameister 1972, Weltmeister 1974), Bernd Hölzenbein (Weltmeister 1974), Dr. Hammer alias Bernd Nickel, Charly Körbel, Lajos Detari und viele mehr.
In der Rubrik »Einwurf« werden teils brisante Dinge thematisiert. So stellt Autor Ulrich Matheja beispielsweise die berechtigte Frage nach dem Verbleib der Millionen, die Eintracht Frankfurt Ende der 80er für den Verkauf des ungarischen Wunderknaben Lajos Detari (unvergeßlich sein Siegtor im Pokalfinale 1988) erhalten hatte. In »Kurz Notiert« finden sich Hinweise auf Ereignisse, die in den jeweiligen Jahren stattgefunden haben. Das hat alles Hand und Fuß und ist sehr liebevoll gestaltet und aufgebaut. Ein weiterer Pluspunkt ist die Bebilderung. Da geht das Herz eines jeden Lesers auf. Fotos von Programmheften, Plakaten, Originaldokumenten und Zeitungsausschnitten runden alles ab. Und sogar der Kloppo-Fan kann sich freuen: Im Buch findet er die Kopie von Kloppos Mitgliedsausweises aus seiner Eintracht-Zeit. Und auch Autor Ulrich Matheja ist in Eintracht-Frankfurt-Kuttenmontur vertreten. Einfach wunderbar!
Das Buch begleitet seinen Leser durch die Frankfurter Fußballgeschichte. Und die ist alles andere als uninteressant. Die Rivalitäten mit dem Lokalrivalen FSV Frankfurt und den Kickers aus Offenbach werden thematisiert. Wir lesen Berichte über »sportsgeistlose Gesellen« oder »staatsanwaltsreifen Fußball«. Letzteres lässt den Schluss zu, dass schon immer getreten und geholzt wurde, was das Zeug hielt. Nichts ist es also mit den immer wieder beschworenen alten Zeiten, in denen doch alles so viel besser gewesen sein soll.
Ein Schiedsrichter namens Alfons Berg
Eintracht Frankfurt = die launische Diva vom Main. Die Hessen waren immer für Geschichten gut. Hier eine kleine Auswahl – in nicht chronologischer Reihenfolge.
Saisonfinale 1992, eigentlich war der Meistertitel der Eintracht schon so gut wie sicher. Eigentlich! Das letzte Spiel in Rostock lief alles andere als gut. Am Schluss stand die Eintracht ohne alles da. Eintracht-Spieler Ralf Weber drehte schier durch und wollte Schiedsrichter Alfons Berg, den er als Urheber der Misere ausgemacht hatte, an die Jacke. Dieser hatte Eintracht Frankfurt einen Elfmeter verweigert. Nun war Berg der Buhmann. Eintracht-Trainer Stepanović zeigte sich als großer Sportsmann, indem er – durchaus logisch – feststellte, dass erstmal einer den Elfer hätte verwandeln müssen.
Bye Bye Eintracht
Ein paar Jahre später spielte die Eintracht unter Trainer Toppmöller einen brillanten Ball. Etwas zu großspurig liess sich Klaus Toppmöller zu der berühmten Aussage »Bye, Bye Bayern« hinreissen. Leider schwang das Pendel zurück und bald hieß es Bye Bye Toppi und wenig später auch Bye Bye Eintracht. Auf Toppmöller folgte »Don Jupp« Heynckes, ein Trainer-Missverständnis der ersten Güte, und dann der erste Abstieg aus der Bundesliga. Dumm gelaufen.
Zwei Eintracht-Glanzlichter: Jay-Jay und Dr. Hammer
Spaß und gute Laune mit der Eintracht. In keiner Sammlung historischer Bundesliga-Momente darf der Auftritt von Augustine Azuka Okocha. Jay-Jay, wie Okocha genannt wurde, führte am 31.August 1993 die Abwehr des Karlsruher SC, Torhüter-Titan Oliver Kahn inklusive, nach allen Regeln der Kunst vor. Immer wieder umspielte Okocha seine Gegenspieler, um den Ball am Ende im Tor zu versenken. Eine wahre Sternstunde des Fußballs und am Ende das Tor des Jahres 1993.
Und noch einer für die Galerie: Bernd Nickel, aufgrund seiner Schusskraft auch Dr. Hammer genannt, brachte das Kunststück fertig, im Frankfurter Stadion aus allen vier Ecken Eckbälle direkt verwandelt zu haben. Eines seiner »Opfer« war Bayern-Torhüter Sepp Maier. Chapeau, Dr. Hammer!
Glasgow 1960
Gehen wir etwas weiter zurück, dann werden wir lesen, dass Eintracht Frankfurt – Deutscher Meister 1959 – der erste deutsche Fußballclub war, der im Europapokal der Landesmeister (Vorläufer der Champions League) in ein Finale eingezogen ist. Das verdient Respekt. Am 18. Mai 1960 trafen die Frankfurter dann vor rund 128.000 Zuschauern im Glasgower Hampden Park auf das weiße Ballett aus Madrid. Die von di Stefano und Puskas angeführten Madrilenen zerlegten die Eintracht nach allen Regeln der Kunst. Der Eintracht blieb immerhin die Tatsache, in diesem Spiel in Führung gegangen zu sein. Richard Kreß war der Frankfurter Torschütze. Trotz einer 3:7-Niederlage ein großer Tag – sowohl für Eintracht Frankfurt, als auch für den deutschen Fußball.
Ein wunderbares Buch, aber …
Danke, setzen, 1! So lässt sich diese Chronik ohne Probleme bewerten. Vielleicht ist das größte Kompliment, das man dieser Chronik (und auch Autor Matheja) machen kann, die Tatsache, dass es keiner besonderen Liebe zu Eintracht Frankfurt bedarf, um tief in dieses Buch einzutauchen und es auf der Stelle zu lieben. Ein weiteres Plus: Das Buch kommt inklusive einer umfassenden Statistik-CD.
Bei seiner Arbeit wurde Autor Ulrich Matheja auch von einigen Mitstreitern unterstützt. Michael Gabriel, Frank Gotta, Dr. Othmar Hermann, Christoph Safran, Matthias Thoma und Frank Wagner sei an dieser Stelle ebenfalls für dieses wunderbare Buch gedankt.
Zum guten Schluss folgt leider doch noch ein Wermutstropfen. Der Blick auf die Website des Verlages verrät, dass das Buch leider nicht mehr lieferbar ist. Die letzten Exemplare sind wohl anläßlich des letzten Weihnachtsgeschäftes über die Ladentheken gegangen. Unsere Nachfrage beim Verlag ergab, dass eine Neuauflage nicht mehr geplant sei.
Fazit: Wohl dem, der dieses Buch sein eigen nennt. Er kann sich glücklich schätzen. Allen anderen sei geraten, in regelmäßigen Abständen im antiquarischen Bereich reinzuschauen. Der Tag wird mit Sicherheit kommen, dass ein Unbedarfter sein Exemplar dieses Buch wieder unter die Leute bringt. Und dann schnell zuschlagen.
Und hier noch ein Lesetipp: Eintracht Frankfurt – Die Erfolgschronik seit 2011
Ulrich Matheja
Unsere Eintracht
Eintracht Frankfurt
Die Chronik
Verlag Die Werkstatt
416 Seiten
Format 22,5 × 31,0 cm
Fotos, Hardcover
ISBN 9783895337505
1. Auflage 2011
leider nicht mehr lieferbar