Das Ende des Fußballs, so wie wir ihn kennen …

Fieberwahn: Money Makes The World Go Round

Fieberwahn: Die Profifussballmaschinerie läuft heiß …

Millionen, Milliarden! Wer bietet mehr? Versilbert wird derzeit nahezu alles. Die Profifußballmaschinerie läuft heiß. Unglaubliche Summen gehen über die Tische der Häuser. Der moderne Menschen- und Rechtehandel wirft was ab – zumindest für diejenigen, die oben mitspielen. Da jedoch jeder sein Scheibchen abhaben will, mutet die Sache wie ein Remake des Goldrauschs an, der sich Ende des 19. Jahrhunderts in Nordamerika abgespielt hat.
In seinem großartigen Buch »Fieberwahn« hat Christoph Ruf dieses Thema aufgegriffen und analysiert. Rufs Analysen erschrecken und am Ende bleibt nur die Frage: Wo steuert das alles hin. Rund anderthalb Jahre nach der VÖ des Buches hatten wir die Gelegenheit, mit dem Autor über dieses Thema zu sprechen. Wir waren gespannt. Sollte sich am Ende vielleicht sogar etwas zum Guten gewendet haben?

Sehe keinen, der den Ist-Zustand verändern will

Cover Christoph Ruf, Fieberwahn, Verlag Die Werkstatt

Fieberwahn: Empfehlenswerte Lektüre zum Thema Fußball und Geld

Kabine: Hallo Herr Ruf, DFB-Chef Reinhard Grindel musste gehen. Darf das Amateurlager auf bessere Zeiten hoffen?

CR: Zu Reinhard Grindel kann es eigentlich keine zwei Meinungen geben: Der Mann ist für Compliance zuständig und nimmt eine Uhr an. Noch Fragen?
Ob Grindels Abgang eine Chance für Amateure ist, das lässt sich so nicht sagen. Das hängt stark davon ab, wer sein Nachfolger werden wird. Allerdings sehe ich keinen, der den Ist-Zustand zugunsten des Amateurlagers verändern will.

Kabine: Da sind wir gleich am nächsten Brennpunkt. Das Theater um die 3. Liga und die Abschaffung der Regionalliga Nordost. Ein Witz ohnegleichen. Auftritt DFB-Vize Rainer Koch: Er erklärt, die Lösung, die man momentan gefunden hätte, sei zwar keine gute aber wohl die beste der schlechten. Unglaublich! Dabei könnte es doch so einfach sein …

CR: Ja, es könnte so einfach sein. Die 3. Liga aufstocken, die Zahl der Absteiger erhöhen. Wo ist das Problem? Ich denke, der schwache DFB kann sich nicht gegen die 3. Liga durchsetzen und dann kommt eben sowas dabei raus. Es war auch erstaunlich, dass alle nordostdeutschen Drittligisten – Ausnahme Cottbus – der Lösung zugestimmt haben. Und bei Cottbus sollen – wie man aus dem Bekanntenkreis so hört –  die weiten Wege der Hauptgrund gewesen sein. Also auch nicht unbedingt ein Bekenntnis zum nordostdeutschen Fußball mit seinen zum Teil reizvollen Begegnungen und Derbys.

Die Zuschauerstruktur hat sich schon entscheidend verändert

Hammarby IF, Söderstadion

Ende der Fankultur? Hammarby-Fans im alten Söderstadion

Kabine: Kommen wir mal zum heißen Eisen Profifußball. Sie sind jedes Wochenende in den Bundesliga-Stadien unterwegs und erleben es live mit. Logenkundschaft, Eventpublikum, Jetset-Fans. Alle schreien nach mehr Geld. Wohin entwickelt sich der Profifußball?

CR: Sie müssen da eine Linie ziehen zwischen den Clubs, die pro 50 plus 1-Regel sind, und den anderen, die die völlige Öffnung wollen. Nehmen Sie den SC Freiburg. Da geht es bodenständig zu. Der Club baut ein neues Stadion und es funktioniert doch. Auf der anderen Seite haben Sie dann einen Club wie Hannover 96. Martin Kind ist ein absoluter Vertreter der Abschaffung der 50 plus 1-Regel. Wenn wir aktuell noch sehen, dass Kind seine Aufsichtsräte nicht durchgebracht hat, aber ganz offensichtlich so weitermachen will, dann wird vieles klar. Aber Martin Kind scheint es vollkommen an Einsicht zu fehlen, dass es so anscheinend nicht geht.

Klar, so manchem Verein ist ein Jetset-Fan deutlich lieber als der normale Stehplatzkunde. Da fliegt einer beispielsweise aus Peking oder von sonst woher ein, leistet sich eine teure Karte und geht mit deutlich mehr Tüten aus dem jeweiligen Fanshop als es ein echter Stehplatz-Fan je tun würde. Die Zuschauerstruktur hat sich ja schon entscheidend verändert. Das heißt jetzt nicht, wie es teilweise propagiert wurde, dass viele zurück zum Amateurfußball gehen. Diese Zahlen lassen sich anhand der Zuschauerzahlen im Amateurfußball nicht belegen. Nehmen Sie aber die ganzen Teenager, die nicht mehr ins Stadion gehen aber in Klamotten von Manchester United, Manchester City oder gar Paris St. Germain herumlaufen.

Das Ende des Fussballs, wie wir ihn kennen …

Kabine: Im Prinzip heißt das nichts anderes, als dass der echte Fan am falschen Ende der Kette sitzt und auf Dauer aus dem Stadion verschwinden wird?

CR: Klar, der ursprüngliche Fan gibt bei weitem nicht soviel Geld aus. Und reichlich Einnahmen sind das, was bei den Clubs gefragt ist. Diese Kommerzialisierung ist eine Tendenz, die sich nicht mehr  aufhalten lässt.

Kabine: … und das dicke Ende?

CR: Das Ende des Fußballs, so wie wir ihn kennen und auch mögen …

Autor Christoph Ruf bei einer PK

Fieberwahn-Autor Christoph Ruf anläßlich einer Pressekonferenz

Kabine: Eine schauerliche Vorstellung. Da wir gerade beim ganz großen Geld sind: 1899 Hoffenheim und RB Leipzig, zwei Vereine, die regelmäßig angefeindet werden. Aber eigentlich sind es doch zwei paar Schuhe. Wir wollen es mal so beschreiben: 1899 Hoffenheim, ein Dorfclub, der in Dietmar Hopp zufällig einen reichen Erbonkel hat, der sein Geld teilweise in den Club steckt, in dem er früher selbst gespielt hat. Auf der anderen Seite RB Leipzig – Kommerz pur. Sollte man da nicht deutlicher differenzieren?

CR: Sind wir ehrlich, 1899 Hoffenheim ist ein Verein, der ohne das Geld von Dietmar Hopp, wohl irgendwo in der Landesliga spielen würde. Das Flair kommt auch im Stadion immer wieder rüber: Familienunterhaltung. Dietmar Hopp kann man keinesfalls nachsagen, dass er nicht sozial eingestellt wäre und er bewegt auf diesem Sektor ja auch viel.

Auf der anderen Seite der Gegenpol: RB Leipzig, ein reines Kommerzprodukt. Wenn wir das Produkt RB genau unter die Lupe nehmen, dann wird auffallen, dass die Gremien hier einen Präzedenzfall in punkto Aushebeln der 50 plus 1-Regel zugelassen haben. Das ist dann der Fußball, bei dem der Verein keine Mitsprache mehr hat, streng genommen gibt es gar keinen Verein, sondern nur ein marktorientiertes Unternehmen, das seine Ziele verfolgt. Spinnen wir den Gedanken mal weiter: Wenn jetzt einer auf die Idee kommt, einen Club zu installieren und von irgendwoher auch noch genug Geld bekommt, stellt sich die Frage: Wenn man es bei RB zugelassen hat, wie will man Nachahmer verhindern? Und ruckzuck gibt es dann Coca Cola Dessau oder was auch immer … 

Kabine: Das Bild, das Sie – leider alles andere als unbegründet zeichnen – sagt den Clubs, die sich an 50 plus 1 halten, ziemlich schwere Zeiten voraus …

CR: Im Moment haben wir in Deutschland glücklicherweise noch eine Mehrheit für die 50 plus 1-Regel. Das kann sich aber durchaus ändern. Da Vereine wie Mainz, Bochum oder Freiburg auf diese Situation reagieren müssen, sind diese Clubs in drei oder fünf Jahren vielleicht nicht mehr wieder zu erkennen. Bestes Beispiel: Die Engländer kommen nach Deutschland, weil sie sich die Premier League-Spiele nicht mehr leisten können oder wollen. Hier in Deutschland finden sie alles bezahlbar und toll. Die Frage ist nur: Wie lange noch?

 

Fotocredits: Foto Christoph Ruf © Christoph Ruf privat,
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